Psychogramm des Zeitenwende-Kanzlers
Süddeutsche Zeitung Dossier
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Freitag, 5. April 2024
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Von Florian Eder

mit Valerie Höhne und Gabriel Rinaldi

Schnelldurchlauf:

Bezahlte Propaganda aus Russland? +++ Kindergrundsicherung: Gut gemeint und kurz vorm Scheitern +++ Sicherheitsbehörden ignorieren Meldepflicht +++ Gerhard Schröder teilt aus +++ Weniger Bürokratie in der Bundeswehr +++ Ärger für Ursula von der Leyen



Guten Morgen. Diese Woche setzte sich BDI-Präsident Siegfried Russwurm auf die Liste derer, die mit dem Bundeskanzler nichts mehr weiter zu besprechen haben; ein Club mit illustren Mitgliedern in Europa und Deutschland.


Ein Genosse der Bosse wird Scholz also auch nicht mehr, nachdem er ihnen erst öffentlich Grund zur Klage absprach und dann hinter verschlossenen Türen, wie die SZ herausfand, seine wirtschaftspolitischen Erfolge referierte. Die waren den Chefs der deutschen Wirtschaftsverbände tatsächlich weitgehend neu.


Am Wochenende ist Olaf Scholz unter europäischen Sozis in Rumänien, Wahlkampf machen für die Europawahl. Dazu treten Christ- und Sozialdemokraten in Rumänien mit gemeinsamer Liste an. Und man möchte sich nur zu gerne vorstellen, wie Scholz und Friedrich Merz das fänden.


Herzlich willkommen! Valerie Höhne ist diese Woche zu unserem wachsenden Team gestoßen, als Leitende Redakteurin am Platz der Republik. Mit ihr und (meistens) aus ihrer Feder wird das Briefing bald von Montag bis Freitag erscheinen. Wenn Sie uns noch nicht regelmäßig lesen: Hier können Sie sich kostenfrei registrieren.

Was wichtig wird

1.

Bezahlte Propaganda?

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Petr Bystron bestreitet, für die Verbreitung russischer Propaganda Geld von der einschlägigen Plattform Voice of Europe (VoE) oder aus Russland genommen zu haben. „Zu keinem Zeitpunkt habe ich von einem Mitarbeiter von VoE (oder irgendeinem Russen) Geldzahlungen oder Kryptowährungen bekommen“, schrieb er in einer Stellungnahme, die gestern bei der AfD-Parteispitze einging.


Aufklärung aus Eigennutz: Das klingt klar, lässt einige Schlupflöcher offen und bleibt erst einmal so stehen: Der tschechische Geheimdienst teilte mit, er werde etwaige Erkenntnisse (über die die tschechische Zeitung Deník N berichtet hatte) nicht veröffentlichen; wie Geheimdienste das so halten. Die AfD wird sich aus eigenem Interesse um Aufklärung mühen. Nach bisherigem Stand wollten die Parteivorsitzenden am Montag mit Bystron sprechen.


Warum das wichtig ist: Sympathie für Putin äußern viele in der AfD, mutmaßlich ohne Bezahlung aus Russland. Kommt die als Verdacht ins Spiel, bei den Listenführern für die Europawahl, sind wir juristisch, vor allem politisch, in ganz neuer Fallhöhe.

2.

Gut gemeint und vor dem Scheitern

​​Familienministerin Lisa Paus kürte die Kindergrundsicherung zum „größten sozialpolitischen Reformprojekt der Ampel“, zur „Antwort auf Kinderarmut in Deutschland“. So hoch gehängt, darf das Vorhaben aus ihrer Sicht nicht scheitern. Aber die Koalition hat inzwischen ausreichend Erfahrung darin, dass gut gemeint nicht reicht.


Fünftausend! Die Kindergrundsicherung ist ein kompliziertes Gesetzesvorhaben. Dass Paus dafür rund 5000 neue Stellen veranschlagt, damit eine neue Behörde Datensätze zusammenführt und die Auszahlung übernimmt, zeugt davon (und auch vom Stand der Verwaltungsmodernisierung).


Absurd, nennt das die FDP. SPD-Chef Lars Klingbeil wunderte sich über die hohe Zahl der Stellen. Realo-Grüne sind, berichtet meine Kollegin Valerie Höhne, ebenfalls nicht begeistert vom Paus-Vorschlag. Die Frage ist, wer noch mit Verve dafür ist (oder ob die FDP so laut zetert, dass die Grünen hinter Paus die Reihen schließen). Scheitert das Vorhaben?


Öffentliches Verhandeln: Kosten und Komplexität sind das eine Problem; der Umgang innerhalb der Koalition ist das andere. „Es gab zwischenzeitlich sieben interministerielle Arbeitsgruppen, die über die wirklich komplizierten Knackpunkte beraten sollten. Die sind aber nicht richtig ins Arbeiten gekommen, weil die Diskussion immer wieder in die Öffentlichkeit geschleift wurde“, sagt die stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Gyde Jensen SZ Dossier.


Nun liegen die komplizierten Fragen bei den Abgeordneten. „Wir haben umfangreiche Prüfbitten an die beteiligten Ministerien gehabt“, sagt Jensen. Die fünf Papiere, von denen nach SZ-Dossier-Informationen inzwischen vier geeint sind, sind nun Grundlage der Diskussion. Zeit für Vertraulichkeit blieb jedoch erneut nicht viel.


Alter Wein: Zu Ostern sagte Paus der „Rheinischen Post“, mit den 5000 angedachten Stellen wolle man „von der Holschuld der Bürger zur Bringschuld des Staates kommen“. Über den Satz regte die FDP sich auf, auch wenn er nicht neu ist. Paus sagte ihn schon einmal, im August vergangenen Jahres bei der Vorstellung des Vorhabens. Neben ihr saß damals FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner. Der schwieg – er hatte gerade Paus‘ Forderung nach 12 Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung beerdigt und war entsprechend zufrieden.


Nun aber fordert die FDP die Überarbeitung. Gyde Jensen hofft, dass das Kinderchancenportal, das Leistungen aus dem Bildungsbereich bündeln und digitalisieren soll, aus dem Gesetzentwurf herausgelöst wird, und dann schneller umgesetzt werden kann. „Das ist kompliziert genug“, sagt sie.


Paus aber, so deutete sie auf X an, ist dagegen. Klar ist, käme es so, wäre der Rest der Kindergrundsicherung in großer Gefahr. Am Montag sollen nach SZ-Dossier-Informationen die Berichterstatter-Gespräche weitergehen.

3.

Sicherheitsbehörden ignorieren Schwachstellen-Management

Trotz klarer gesetzlicher Vorgaben, Sicherheitslücken unverzüglich dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) zu melden, halten sich Sicherheitsbehörden nicht an ihre Meldepflicht. Nur die Zentrale Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich (Zitis) hat bisher die Existenz von Sicherheitslücken gemeldet. Das zeigt eine Recherche unseres Dossiers Digitalwende (hier testen).


Warum das wichtig ist: Sicherheitslücken in Software sind nicht nur Einfallstore für staatliche Überwachungsaktionen, sondern bergen auch erhebliche Risiken. Jede nicht gemeldete Schwachstelle kann auch von Kriminellen genutzt werden. Die gesetzliche Meldepflicht soll eigentlich eine schnelle Schließung der Lücken ermöglichen und so die IT-Sicherheit stärken.


Nicht-Meldung – wortwörtlich: Konkret sind Bundesbehörden gesetzlich dazu verpflichtet, neu gefundene Schwachstellen unverzüglich an das BSI zu melden. Ausnahmen gelten zwar für Polizei und Nachrichtendienste, aber auch diese müssen (außer der Bundesnachrichtendienst) dem BSI halbjährlich mitteilen, wie oft sie von der Ausnahme Gebrauch gemacht haben, ohne zu nennen, um welche Schwachstelle es sich konkret handelt – man spricht hier von einer Nicht-Meldung. Auf Anfrage antwortete das BSI, dass es seit Einführung des Gesetzes im Jahr 2010 insgesamt lediglich sechs Nicht-Meldungen gab.


Offene Fragen: Die sind nach Informationen von SZ Dossier allesamt von der Zitis. Die Frage, ob Sicherheitsbehörden wie das Bundeskriminalamt, der Verfassungsschutz oder der Militärische Abschirmdienst (MAD) ebenfalls über ungemeldete Schwachstellen verfügen, bleibt offen. Dem BSI gemeldet haben sie aber – trotz Gesetz – keine. Denkbar wäre, dass sie keine Schwachstellen kennen und nutzen, sich dabei auf externe Anbieter wie Pegasus verlassen oder sie aber kennen und bewusst nutzen, ohne sie dem BSI zu melden. „All of the above“, sagen diejenigen, die sich damit auskennen.

4.

Schröder teilt aus

Das Gas war billig und das Borchardt hatte noch weltläufigen Klang: Gerhard Schröder wird am Sonntag 80 und versichert, er sei „kein Bereuer“. Nicht dass man Zweifel gehabt hätte: „Mea culpa ist nicht mein Satz“, sagte er meinem Kollegen Georg Ismar auf die Frage nach seinen geschäftlichen Verbindungen nach Russland. „Das hat Deutschland über viele Jahre sehr gut getan. Das Gas war billig und das war eine ganz andere politische Lage.“


Opa schwelgt von früher: „Was mich wirklich traurig macht, ist die Provinzialität der gegenwärtigen Führungsfiguren. Das ist doch nicht die SPD“, sagte der frühere Parteivorsitzende über seine aktuellen Amtsnachfolger. „Wenn ich bei 15 Prozent gewesen wäre, wäre ich sofort zurückgetreten.“ Die gescholtene Parteiführung wiederum sucht im Umgang mit dem Jubilar und seiner Feier in ein paar Wochen die Balance zwischen Anstand und dem Anschein, die Russland-Romantik sei der SPD weitgehend vergangen.


Putins Imperialismus? Ach wo. „Frankreich und Deutschland müssten eine Initiative für eine diplomatische Lösung starten,“ sagte Schröder. Als hätte sich die Welt seit seinem Abtritt 2005 nicht mehr groß weitergedreht: „Ich bin fest davon überzeugt, dass auch Putin ein Interesse daran hat. Was soll er denn mit der ganzen Ukraine?“


Zurück zur SPD: „Ich glaube, das hilft der Partei, sich wieder stärker als Anti-Kriegs-Partei zu profilieren.“ Der gute Rat des Altkanzlers bleibt nicht ungehört, wie wir gleich sehen werden.


Wenn Sie nur einen Text über Schröder, sein Verhältnis zur SPD, seinen Blick auf Leben, Werk und auf die Rezeption seiner Kanzlerschaft lesen mögen, dann diesen hier von Georg Ismar über einen besonderen Hausbesuch in Hannover.

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Tiefgang

Psychogramm des Zeitenwende-Kanzlers

Der Bundeskanzler hat neulich den Einsatz deutscher Bodentruppen in der Ukraine ausgeschlossen und damit ohne äußere Not, zum Befremden von Partnern und, so die landläufige Analyse, zum strategischen Vorteil Russlands eine rote Linie gezogen: Die deutsche Unterstützung der Ukraine endet, wenn ein russischer Sieg nicht ohne Truppeneinsatz nicht mehr abzuwenden ist.


Es klang sehr kategorisch. War es das? „Das ist für Olaf Scholz absolut endgültig“, sagte Daniel Brössler, mein SZ-Kollege, Berliner Büronachbar und Autor des gerade erschienenen Buchs „Ein deutscher Kanzler. Olaf Scholz, der Krieg und die Angst“. Es schildert dicht und detailreich, wie es zu Entscheidungen in der Zeitenwende kam – aus der Position der Nähe des Kanzlerreporters und mit der analytischen Distanz unseres Chefscholzologen.


„Relativ früh war Olaf Scholz sich im Klaren darüber: Wir werden nicht Teil dieses Krieges“, sagte Brössler, als wir über seine Erkenntnisse aus der langen und tiefen Recherche für das Buch sprachen. „Die Konsequenz daraus ist: In einem Worst-Case-Szenario werden wir nicht verhindern, dass Russland erfolgreich ist in der Ukraine. Wer das verhindern will, müsste zumindest bereit sein, die andere Seite in der Unsicherheit darüber zu lassen, ob man mit eigenen Truppen reingeht.“


Kyiv, westliche Partner und Moskau haben nun Gewissheit: „Mit diesem Kanzler wird es keine deutschen Bodentruppen in der Ukraine geben“, sagte Brössler. „Scholz sieht darin in letzter Konsequenz die Gefahr eines dritten Weltkriegs. Das Risiko will er nicht eingehen.“


Nun kann man darüber streiten, ob er da recht hat. Selbst wenn, erklärt es nicht, warum er es öffentlich sagt. Warum also? Er tat es „nicht für Putin, sondern für die deutsche Bevölkerung.“ Scholz, der nie gesagt hat, die Ukraine müsse den Krieg „gewinnen“, gibt den Friedenskanzler.


„Hier sind auf unglückselige Weise außenpolitische Gegebenheiten kollidiert mit den aus Scholz’ Perspektive innenpolitischen Notwendigkeiten“, sagte Brössler. Es gehe ihm darum, sein Handeln nutzbar zu machen für die SPD. „Ich glaube, man wäre naiv, wenn man das nicht sehen würde.“ Trifft er Entscheidungen unter dem Eindruck eines nahenden Wahlkampfs, oder will er im Wahlkampf etwas nutzen, das er bereits entschieden hat? „Da will ich ihm Zweiteres zugutehalten – aber das will er auf jeden Fall.“


Scholz, der seine Partei mit der Zeitenwende-Rede geradezu überrumpelte, hält seine Mission diesbezüglich für erfüllt: „Vielleicht liegt das Problem darin, dass er glaubt, seine historische Rolle definiert zu haben. So hat er das selber gesehen: Diese Rede war seine historische Leistung.“


Nun ist es vielleicht an der Zeit, etwas zurückzugeben: „Er steht schon sehr stark unter dem Druck, jetzt etwas für die SPD zu tun“, sagte Brössler. „Er hat durchaus mit Kriegsängsten gespielt, das war alles Teil der Botschaft: Ich bin der Mann, der zwar die Ukraine unterstützt, aber der sich in keine Abenteuer begibt. Dem ist sehr viel untergeordnet.“


Da kommt der französische Präsident ins Spiel: Emmanuel Macron zerschießt Scholz sein Argument damit, dass er sich das Gegenteil nutzbar macht. Macron schließt Bodentruppen nicht aus, um Stärke und Verantwortung zu demonstrieren, und punktet damit gegen linke Fans des Einfrierens und rechte Putin-Freunde.


Da stand Scholz vor einem Dilemma: „Er kann jetzt schweigen, weil es nicht klug ist, Putin zu sagen, was du nicht tust. Aber dann schadet er sich aus seiner Perspektive innenpolitisch. Oder er kann sprechen. Dann spricht er aber eben nicht nur zu den Deutschen, sondern auch zu Putin und schadet dem Anliegen des Westens insgesamt.Wie es ausging, ist bekannt.


Wie viel davon ist Scholz, wie viel deutscher Bundeskanzler? Zieht man einmal ab, dass Scholz darunter leidet, niemand ebenso geniales zum Austausch zur Verfügung zu haben, dann bleiben ein Argument und die Persönlichkeit des Kanzlers.


„Er glaubt, dass die Kräfte Deutschlands überschätzt werden, die Möglichkeiten. Er sieht Deutschland eben als Mittelmacht, die durchaus was zu sagen hat und was beizutragen hat, aber die sich nicht überheben sollte“, sagte Brössler. Aber im Kern geht es auch um Neigung: „Da ist er ganz anders als Emmanuel Macron, der in Europa gesehen werden will, auch als Führungspersönlichkeit. Olaf Scholz will den Kopf nicht zu weit rausstrecken.“

Fast übersehen

5.

Weniger Bundeswehr-Bürokratie: Boris Pistorius (SPD) hat gestern seine Vision für eine neu strukturierte Bundeswehr vorgestellt. Mit der Reform will Pistorius, erst seit Januar 2023 im Amt, die „Verantwortungsdiffusion“ in der Truppe reduzieren. Die „Bundeswehr der Zeitenwende“ soll agiler, flexibler und effizienter werden.


Gebündelte Koordination: Ein neues einheitliches Operatives Führungskommando soll für eine kohärente Planung und Ausführung aller Bundeswehreinsätze – im Ausland wie zur Landesverteidigung – sorgen und mit heutigen Doppelstrukturen aufräumen, berichtet Gabriel Rinaldi. Das soll auch die Reaktionsfähigkeit verkürzen: Pistorius sagte, so seien schnelle Entscheidungen dank „eines gemeinsamen 360-Grad-Lagebildes“ möglich und damit auch „die Fähigkeit, die Leitung des Ministeriums aus einer Hand in allen Einsatzangelegenheiten beraten zu können.“


Gebündelte Unterstützung: Die Reform sieht zudem vor, die Teilstreitkräfte neu zu organisieren, wobei neben den klassischen Bereichen Land, Luft und Weltraum sowie See nun auch der Cyber- und Informationsraum (CIR) als eigene Teilstreitkraft etabliert wird. Darüber hinaus wird ein neuer Unterstützungsbereich geschaffen, der zentrale Dienstleistungen wie Logistik und Sanitätsdienst bündelt (Details hier in der SZ).


Keine Ausreden: Für die Anpassung habe er den Streitkräften ein halbes Jahr Zeit gegeben. „Jeder musste zurückstecken, jeder musste neue Wege gehen“, sagte Pistorius.


LG nach Brüssel! „Wir haben die Expertise aus dem gesamten Geschäftsbereich genutzt“, sagte Pistorius, „und ausdrücklich und bewusst verzichtet, teure Berateraufträge zu erteilen.“

6.

Ärger für VDL: In Ursula von der Leyens Kommissionskollegium regt sich offener Widerstand gegen eine Entscheidung der Präsidentin, den deutschen CDU-Europaabgeordneten Markus Pieper zum EU-Beauftragten für Kleine und Mittlere Unternehmen zu machen; ein sehr gut bezahlter Job.


Piepergate: Seine Ernennung „hat Fragen aufgeworfen nach der Transparenz und Unparteilichkeit des Nominierungsprozesses“, schreiben die Kommissare Josep Borrell, Thierry Breton, Paolo Gentiloni und Nicolas Schmit in einem Brief an die Präsidentin, der uns vorliegt. Pieper setzte sich gegen zwei Frauen durch und Verfahrensbeteiligte bezweifeln, dass seine fachliche Eignung das gewichtigste Argument war. (Wie alles begann: hier.)


Nicht mein Beauftragter: Die Unterzeichner fordern eine Aussprache im Kollegium „zum nächstmöglichen Zeitpunkt“, um von Europaabgeordneten vorgetragene Vorwürfe zu diskutieren „sowie die mögliche Auswirkung auf die nächsten Schritte im Rekrutierungsprozess von Herrn Markus Pieper“, wie es in dem Brief heißt. Übersetzung: Sie wollen die Entscheidung rückgängig machen.


Nach der Europawahl wird eine neue Kommission gebildet. Drei der Kommissare sind eh politische Schwergewichte und der vierte fand sich plötzlich in einer solchen Rolle wieder: Schmit bewirbt sich als Spitzenkandidat der Sozialdemokratie offiziell um das Präsidentenamt. Breton kann als Frankreichs Reserve gelten, sollte von der Leyen mit ihrem eigenen Anspruch scheitern. Gentiloni und Borrell haben nichts zu verlieren – und nehmen der (am 31. Januar erfolgten) Ernennung den Anstrich des Konsensualen, den sie per Protokoll der Kollegiumssitzung hat. Von der Leyens straffes Regime zeigt deutliche, späte Auflösungserscheinungen.

Zitat des Tages

Wenn Sozialleistungen an die Preisentwicklungen angepasst werden, dann muss das genauso bei der Steuer für die arbeitende Bevölkerung gelten.

Finanzminister Christian Lindner (FDP) will die Lohn- und Einkommensteuer an die Inflation anpassen, um eine kalte Progression zu verhindern.

Deutschland in Daten

Mehr Frauen arbeiten, aber Elternschaft verstärkt Ungleichheiten
in Kooperation mitStatista

Zu guter Letzt

Bei der Regierungspressekonferenz am Mittwoch stand der „Elefant im Raum“, wie Umweltministeriumssprecherin Iris Throm sagte, jedenfalls gewissermaßen vor Tür: Botswanas Präsident Mokgweetsi Masisi drohte, gleich 20.000 Elefanten nach Deutschland zu schicken, würden die Grünen ein Wahlkampfversprechen Wirklichkeit werden lassen und die Einfuhr von Jagdtrophäen verbieten.


Von solchen Plänen weiß man im Umweltministerium nichts. „Eine nationale Maßnahme diesbezüglich ist nicht geplant“, sagte Throm, wohl aber gebe es eine Diskussion auf europäischer Ebene, die sogenannte Einfuhrgenehmigungspflicht auf weitere Tierarten auszuweiten. Elefanten stehen aber schon auf der Liste.


Kollegen, vom Thema elektrisiert, hakten nach: Wohin mit den Elefanten, wenn sie denn kämen? „Der Erweiterungsbau des Kanzleramts wird ja fertig“, bemerkte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann in herrlicher Unbotmäßigkeit gegenüber dem Hausherrn, der beteuern lässt, die auf knapp 800 Millionen Euro geschätzte Erweiterung sei „vor dem Hintergrund kontinuierlicher Aufgabenerweiterungen“ erforderlich, nicht wegen ungebetener Staatsgeschenke.


Danke an Selina Bettendorf, Daniel Brössler und Georg Ismar – und an Corinna Melville in Adelaide für Redigat und Produktion.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier

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Valerie Höhne

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