von Tim Frehler, Elena Müller, Gabriel Rinaldi und Peter Ehrlich
Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:
Einen „neuen Kurs in der Migrationspolitik“ kündigte Friedrich Merz gestern erneut an. Das Thema war eines der umstrittensten zwischen Union und SPD. In der Arbeitsgruppe waren zahlreiche Punkte strittig geblieben. Der Koalitionsvertrag zeigt nun: Es regiert der Kompromiss.
Zurückweisen, aber wie? Schon im Wahlkampf war der Union der Punkt der Zurückweisungen an der Grenze wichtig. Im Koalitionsvertrag steht wie im Sondierungspapier, dass „in Abstimmung“ mit den europäischen Nachbarn zurückgewiesen werden soll, auch wenn Asylanträge gestellt werden. Auf die Frage, was das bedeute, sagte Merz: „Abstimmung bedeutet Abstimmung.“ Hier wird es also auf das Innenministerium ankommen.
Punkt für die SPD: Die Union drängte laut AG-Papier darauf, Asylverfahren in sicheren Drittstaaten zu ermöglichen. Darauf konnten sich die Parteien nicht einigen. Die neue Bundesregierung will aber auf europäischer Ebene die Initiative ergreifen, um das sogenannte Verbindungselement im EU-Recht zu streichen, wonach Flüchtlinge nur in einen Drittstaat gebracht werden dürfen, zu dem sie eine Verbindung haben. Ideen wie dem Ruanda-Modell steht es damit im Weg.
Durchgesetzt hat sich die Union hingegen in einem anderen Punkt. Im Asylrecht soll zukünftig nicht mehr der „Amtsermittlungsgrundsatz“ gelten, sondern der „Beibringungsgrundsatz“ – für Asylbewerber hätte das weitreichende Konsequenzen. Behörden und Gerichte müssten einen Sachverhalt dann nicht mehr von Amts wegen erforschen, sondern würden nur prüfen, „was die Asylbewerber vortragen oder anderweitig evident ist“, sagte der Migrationsexperte Daniel Thym der SZ. Asylsuchende müssten also die „politischen, sozialen und technischen Zusammenhänge im Herkunftsland eigenständig darlegen“, heißt es etwa bei Pro Asyl. Vereinfacht gesagt, würde die Beweislast verschoben.
Punkt für beide: In Sachen Staatsangehörigkeitsrecht verbucht die Union die Abschaffung sogenannter „Turboeinbürgerungen“ für sich als Erfolg. Die SPD kann sich auf die Fahnen schreiben, dass es erst einmal nicht zu weiteren Verschärfungen gekommen ist.
Erstmal prüfen: In anderen Punkten verlegten sich die Verhandler darauf, den Konflikt nicht aufzulösen, sondern erst einmal zu prüfen. Die Union wollte zum Beispiel Ausreisezentren in der Nähe von Flughäfen einrichten, um Abschiebungen zu erleichtern. Die SPD wollte das nicht. Nun soll die Sache geprüft werden.
Änderung für Ukrainer: Einig waren sich die Verhandler bereits in der Arbeitsgruppe dabei, die Liste sicherer Herkunftsländer auszuweiten oder den Familiennachzug subsidiär Schutzberechtigter für zwei Jahre auszusetzen. Neu im Vergleich zum Ergebnis der Arbeitsgruppe sind Änderungen für Geflüchtete aus der Ukraine. Diejenigen von ihnen, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind, sollen kein Bürgergeld mehr, sondern Leistungen für Asylbewerber erhalten.