von Florian Eder, Tim Frehler, Elena Müller und Gabriel Rinaldi
Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:
Wolodimir Selenskji war inzwischen bei so vielen EU-Gipfeln, er weiß zum einen, wie die Sache läuft und er scheut sich zum anderen nicht, andere Teilnehmer öffentlich zu kritisieren, mögen die auch Mitgliedsstatus haben und er nicht.
Wieder nur 26: „Es ist schlichtweg antieuropäisch, wenn eine einzelne Person Entscheidungen blockiert, die für den gesamten Kontinent wichtig sind oder bereits vereinbart wurden“, sagte der ukrainische Präsident dem EU-Gipfel per Videoschalte. Er meinte Ungarn, das generell den Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen mit seinem Land blockiert und speziell die konkret Ukraine-bezogenen Schlussfolgerungen des Gipfels, die dann wieder zu 26. verabschiedet wurden.
Von wegen strategische Souveränität: Der EU-Gipfel in Brüssel sollte Wirtschaft, Wettbewerbsfähigkeit, Haushaltspolitik zum Thema haben; zur Ukraine gab es ja vor zwei Wochen eigens einen Not- und Sondergipfel. Aber US-Präsident Donald Trump hat mit seinem Drängen darauf, Russlands Krieg gegen die Ukraine zu seinen Bedingungen zu beenden, den Europäern zumindest wieder vor Augen geführt, dass zu den ihren in der Welt wenig geschieht. Nicht mal über die Tagesordnung ihrer eigenen Meetings können sie ungestört entscheiden.
Das soll sich ändern: Die EU will bis zum Ende des Jahrzehnts kräftig aufrüsten. Die Staats- und Regierungschefs entschieden am Abend auf ihrem Gipfel, wie von der EU-Kommission vorgeschlagen, alles zu versuchen, um die eigene Verteidigungsbereitschaft entscheidend zu stärken.
Eine Debatte erinnert sehr an die deutsche: Was gehört eigentlich zur Verteidigung? Die Wahrnehmung der Bedrohung durch Russland nimmt in den EU-Hauptstädten mit der Entfernung von der Ostgrenze der EU exponentiell ab. Spaniens sozialdemokratischer Premierminister Pedro Sánchez etwa hat sehr laut darüber nachgedacht, wie er Klimawandel und Migrationsursachen zum Sicherheitsrisiko erklären könnte, den Kampf dagegen also aus dem geplanten neuen EU-Verteidigungsfonds bezahlen:
Migration, Klima, hybride Angriffe: Die Sicherheitsprobleme Spaniens seinen einfach andere als die an der Ostgrenze, sagte Sánchez gestern. Von EU-Diplomaten war zu erfahren, dass er damit gestern nicht weit kam. Die Verhandlungen über Ursula von der Leyens Wiederbewaffnungs-Initiative haben ja auch gerade erst begonnen.