Die deutsche Wirtschaft hofft auf Aufträge und die Gelegenheit für Investitionen beim Wiederaufbau der Ukraine. Umgekehrt hofft Kyiv auf deutsches Engagement vor allem in der Energiewirtschaft und der Rüstungsindustrie des vom Krieg geschundenen Landes. Auf dem deutsch-ukrainischen Wirtschaftsforum in Berlin haben Politik und Wirtschaft gestern die Möglichkeiten dazu diskutiert. Christiane Kühl vom Dossier Geoökonomie berichtet.
Riesiger Finanzbedarf: Für den Wiederaufbau braucht die Ukraine nach einem Bericht der Regierung, der Weltbankgruppe und der Vereinten Nationen in den kommenden zehn Jahren 486 Milliarden US-Dollar, was dem 2,8-fachen des nominalen Bruttoinlandsprodukts von 2023 entspricht. „Der Wiederaufbau wird ohne privates Kapital nicht möglich sein“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Konferenz.
Attraktiv fürs De-Risking: Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal warb am Mittwoch mit den reichen Rohstoffvorkommen seines Landes. „Wir haben 20 von 30 Elementen, die in der EU als kritisch eingestuft werden“, sagte er. Unter den Mineralien, die die Ukraine liefern könnte, befinden sich Lithium, Kobalt, Nickel und Titan. Wirtschaftsministerin Yulia Svyrydenko fügte hinzu, die ukrainischen Eisenerzvorräte könnten Lieferungen aus Russland vollständig ersetzen.
Der bilaterale Handel wächst schon jetzt: In den ersten drei Quartalen stieg der Warenaustausch um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Schmyhal erwartet für 2024 ein Volumen von 12 Milliarden Euro. Zentrale Bereiche für die weitere Zusammenarbeit, die auf dem Forum diskutiert wurden, waren die Energieinfrastruktur, der Wiederaufbau, Verteidigungstechnologien, der IT-Sektor, Landwirtschaft und Logistik.
Wie es in der Ukraine weitergeht: Schmyhal betonte, Selenskij habe bereits zwei „gute und vielversprechende Gespräche“ mit Donald Trump gehabt. „Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen.“ Er gehe aber davon aus, dass die Ukraine auch mit Trump gut kooperieren werde. Ein „Einfrieren“ der Front lehnte Schmyhal kategorisch ab. Man habe seit 2014 gesehen, dass Putin jede Waffenpause dazu nutze, die Truppen zu regenerieren und neu anzugreifen. Es dürfe keine Verhandlungen über den Kopf der Ukraine hinweg geben.
Macrons Plan: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will heute nach Informationen der polnischen Tageszeitung Rzeczpospolita bei einem Besuch in Warschau vorschlagen, eine europäische Friedensmission in die Ukraine zu entsenden – und zwar konkret 40 000 Soldaten in fünf Brigaden. Eine davon könnte von Polen geleitet werden. Die Truppen könnten nach der etwaigen Einstellung von Kampfhandlungen als dauerhafte Sicherheitsgarantie in der Ukraine bleiben. Mehr hier.