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Meldung

Der Wähler mit der reinen Seele

Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:

Die Freien Demokraten sehen sich seit dem Wochenende mit Berichterstattung konfrontiert, wonach sie sich schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken getragen haben, die Koalition zu verlassen. Christian Lindner bestritt gar nicht, dass die Option, zu gehen, diskutiert wurde. Er bestritt auch nicht Überlegungen zur Frage, wie der Vollzug des offensichtlichen Scheiterns der Ampel zur bestmöglichen Ausgangslage für eine allfällige Neuwahl gemacht werden könne.

Selber! Olaf Scholz „hat eingeräumt, dass er bereits im Sommer über meine Entlassung nachgedacht hat“, teilte Lindner am Wochenende mit; das tat der Kanzler tatsächlich genau so, im SZ-Interview. Unter anderem die SZ hat nachgezeichnet, wer wann wo in der FDP welche Präsentation zur Frage gehalten hat, wie weiter. Die Frage dahinter: Sollte der Bruch längst beschlossen gewesen sein, sollte die FDP eine Lösung des Haushaltsstreits gar nicht mehr gesucht haben, ergibt sich daraus ein Glaubwürdigkeitsproblem für Lindner.

Deutungshoheit, Baby: In der SPD sind sie darüber hinaus dankbar für jede Argumentationshilfe gegen den Eindruck, dass der Kanzler sich im Ton vergriffen hat in seiner Abrechnung mit Lindner. Sie war laut Umfragen seither auch nicht der Beginn einer Trendwende für Scholz’ Ansehen. Daher nun so große „Enttäuschung“ bei Rolf Mützenich und so weiter über die FDP: Nie hatte die Ampel in der SPD mehr Fans als heute, da sie nicht mehr selbst ausgeknipst haben will.

Wirklichkeitscheck: Es herrscht in Berlin noch allenthalben die Vorstellung, Wählerinnen und Wähler seien vielleicht ein bisschen dumm, in jedem Fall aber so reine Seelen, dass man ihnen das politische Handwerk nicht zumuten dürfe. House of Cards oder Borgen mögen längst zum Kanon gehören – zu erfahren, dass mindestens zwei Partner nach dem besten Zeitpunkt zum Ausstieg aus einem dysfunktionalen Bündnis suchten, könnte die Menschen dennoch verunsichern, oder so geht dieser Gedanke.

Der Wähler mit der reinen Seele (Meldung) | SZ Dossier