von Gabriel Rinaldi und Tim Frehler
Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:
Der Winterwahlkampf ist eröffnet. Die Regierungserklärung des Kanzlers und die darauffolgende Aussprache haben einen Vorgeschmack auf die kommenden Wochen geliefert. Die Protagonisten: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU). Einen Cameo-Auftritt im Bundestag hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder als CSU-Chef Markus Söder.
Scholz startete bedacht. Er wiederholte seine Sicht auf das Ampel-Aus, versuchte, die Union in die Pflicht zu nehmen. „Lassen Sie uns zum Wohl des Landes bis zur Neuwahl zusammenarbeiten“, sagte er, damit „die Fleißigen in diesem Land, die sich jeden Tag anstrengen, entlastet werden“. Scholz, wie Scholz ihn sieht: Einer, der Kompromisse schmieden kann. Die anderen müssen nur wollen.
Dann: Wahlkampf. Er kündigte an, sich um die „kleinen Leute“, die „hart arbeitende Mitte“ kümmern zu wollen. Die Ukraine will er weiter unterstützen, aber dafür nicht sparen. Eine Senkung des Rentenniveaus? „Nicht mit mir.“ Trotzdem gebe es den „Tag nach der Wahl“. Man sei besser dran, wenn „wir uns auch nach einer Auseinandersetzung noch in die Augen schauen können“.
Auftritt Merz. „Sie leben offensichtlich in Ihrem eigenen Kosmos, in Ihrer eigenen Welt“, sagte der Kanzlerkandidat der Union zu Scholz. „Sie haben nicht verstanden, was draußen im Lande im Augenblick geschieht.“ Die Vertrauensfrage hätte er sofort stellen müssen. „Sie sind derjenige, der für diese Kontroversen und für diese Spaltung in Deutschland verantwortlich ist“, sagte Merz.
Kein Auswechselspieler: Der CDU-Chef bedankte sich bei SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich und der Grünen-Fraktionsspitze. Das Parlament habe seine Verantwortung wahrgenommen. Subkontext: Der Kanzler nicht. „Sie haben hier keine Bedingungen zu stellen. Wir sind nicht der Auswechselspieler für Ihre auseinandergebrochene Regierung“, sagte er. Eigene Prioritäten nannte er auch: Eine „grundlegend andere Politik“ in den Bereichen Migration, Außen, Sicherheit, Wirtschaft.
Time to say goodbye: Von der Bundesratsbank kam Söder ans Pult, um eine für seine Verhältnisse blasse Rede zu halten. Das Highlight war schon dies: „Ich kenne keinen, der uncooler in Deutschland ist als Sie, lieber Herr Scholz“, sagte Söder. „Langweilig!“, rief irgendwann jemand rein – weil Söder das Insider-Outsider-Spiel übertrieb: Er gab den scharfen Beobachter aus München, der tout Berlin den Spiegel vorhält. Was ihm ein Bierzelt abnimmt, der Deutsche Bundestag, bis in die eigenen Reihen hinein, hingegen offenbar nicht sehr.