von Florian Eder und Gabriel Rinaldi
Diese Meldung stammt aus dem folgenden Briefing des Dossiers Platz der Republik:
In der Debatte um kritische Rohstoffe könnte die öffentliche Meinung gezielt durch soziale Netzwerke manipuliert werden. Das geht aus einer neuen Studie der Denkfabrik „Centrum für Europäische Politik“ (Cep) hervor, die SZ Dossier vorliegt und am Dienstag veröffentlicht wird. Dass es gängige Praxis einiger Autokratien ist, sich in anderer Länder demokratische Wahlkämpfe unlauter einzumischen, ist bekannt. Die Studie legt nahe, dass Desinformationskampagnen auch als Mittel der Handels-Kriegsführung genutzt werden.Negative Einstellungen: Die Diskussion um kritische Metalle auf Twitter (jaja, X) sei stark von Nachhaltigkeitsbedenken und Versorgungsrisiken dominiert. Die Analyse zeigt eine überwiegend negative Einstellung zum Lithiumabbau, hauptsächlich hinsichtlich der Umweltauswirkungen. Sie identifizierte Nachhaltigkeitsbedenken als Eintrittstür für Fehlinformationskampagnen, die darauf abzielen, „das Misstrauen der Öffentlichkeit auszunutzen, um den Westen an der Diversifizierung seiner Lieferwege zu hindern.“ Die Cep-Wissenschaftler Anselm Küsters und André Wolf haben insgesamt rund vier Millionen Tweets untersucht, die zwischen 2012 und 2022 verfasst wurden.
Die Rolle Chinas: „Europa will strategisch unabhängiger werden. Gezielte Falschinformationen und Unwahrheiten im digitalen Raum bedrohen die geplante Rohstoffstrategie der Europäischen Union. Soziale Medien bieten ein ideales Einfallstor für Manipulation“, sagte Wolf SZ Dossier. Er glaubt, dass bisher den Markt beherrschende Staaten wie China gezielt die Unabhängigkeitsbemühungen Europas unterlaufen wollen. In der Tat ist das kein unrealistisches Szenario: Chinesische Akteure greifen laut US-Verteidigungsministerium bereits heute zu Desinformationskampagnen. So soll die Peking nahestehende Hackergruppe Dragonbridge Stimmung gegen ein amerikanisches Unternehmen in dem Bereich gemacht haben.
Deepdive zu Lithium: In der Studie haben sich die Wissenschaftler konkret mit Lithium beschäftigt, dem auf Twitter beliebtesten kritischen Metall. Wenn es um Lithium-Tweets zur EU geht, ist „in den meisten dieser Tweets eine klare antieuropäische Stimmung zu erkennen, die in der Regel nicht von anderen Nutzern oder offiziellen EU-Konten gekontert werden.“ Was das konkret heißt?
Doppelstandards der EU? In einem besonders oft gelikten Beispiel zielt ein Nutzer direkt auf die Glaubwürdigkeit der EU-Nachhaltigkeitsziele ab — und wirft der EU vor, mit zweierlei Maß zu messen. Ein weiterer Tweet verweist auf Lithiumreserven in Deutschland. Dass sie bisher nicht abgebaut wurden, wird so interpretiert, dass Deutschland die starken negativen Umweltauswirkungen des Lithiumabbaus erkennt — und sie im eigenen Land vermeiden will.
Ein leichtes Ziel: Laut der Studie könnte ein — angebliches oder reales — Glaubwürdigkeitsproblem in Nachhaltigkeitsfragen Ziel künftiger Desinformationskampagnen sein. Wie die Wissenschaftler schreiben, könne nur eine transparente Überwachung der Umweltauswirkungen helfen. „Andernfalls wird der Vorwurf, die EU würde mit zweierlei Maß messen, in Zukunft ein leichtes Ziel für antieuropäische Kampagnen sein.“