EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte diese Woche ein umfangreiches Maßnahmenpaket an, um die EU vor ausländischer Einflussnahme abzuschirmen, sollte sie nach der Europawahl Kommissionspräsidentin bleiben.
Ankündigungen einer Spitzenkandidatin: Die Demokratie sei unter Druck wie nie zuvor, sagte von der Leyen in einer Rede auf dem Democracy Summit in Kopenhagen. Der Kreml lasse ein Mörserfeuer von Desinformation auf Europa los, mit der AfD als hörige Gehilfin, sagte sie: „Wollen wir zulassen, dass sie alles, was wir in 70 Jahren geschaffen haben, untergraben und zersetzen?“. Mit einem einem „Democracy Shield“ wolle sie diese Bedrohung abmildern.
Worte, die nach Stärke klingen - aber von der Leyens Rhetorik ist nicht ohne Tücken, denn sie lässt Moskau übermächtig, Europa aber verletzlich wirken.
Wie schlimm? Im Magazin Foreign Affairs warben vier Fachleute für einen entspannteren Umgang mit Desinformation. In Kürze: Eine ganze Branche sei entstanden – Kommunikationsagenturen, Nichtregierungsorganisationen und Think-Tanks – deren Geschäftsmodell es sei, Desinformation zur Mega-Bedrohung hochzureden. Die tatsächlichen Auswirkungen von Desinformationskampagnen seien derweil begrenzt.
Sortieren wir uns: Dass Russland versucht, Demokratien zu schwächen und Extremisten zu stärken, ist unbestritten. Der Extremismus in Europa ist dennoch zuerst ein Gewächs aus dem heimischen Garten. Moskaus Macht reicht nicht aus, um unsere Gesellschaft fernzusteuern, auch wenn die Kreml-Propaganda uns genau das glauben machen will.
Druck und Wirkung: Seit Beginn des Angriffskriegs erlässt die EU etwa immer neue Sanktionen gegen Kreml-Medien, seit Mittwoch auch gegen das Online-Portal „Voice of Europe“, das zuletzt Aufmerksamkeit erfuhr, weil es Berichten zufolge den AfD-Politiker Peter Bystron geschmiert hatte. Die deutschen Behörden nehmen den Fall nicht einfach hin: Am Donnerstagmorgen hob der Bundestag die Immunität Bystrons auf. Beamte des bayerischen Landeskriminalamts durchsuchten sein Bundestagsbüro sowie weitere Objekte in Deutschland und auf Mallorca. Die Generalstaatsanwaltschaft München hat Ermittlungen wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und der Geldwäsche eingeleitet.
Aufgemerkt: Scharfe Reden westlicher Politiker können Russland in die Hände spielen, weil sie die Grenzziehung erschweren zwischen Demokraten und Autokraten. „Ich glaube, Europa braucht jetzt eine eigene Struktur zur Bekämpfung ausländischer Einmischung“, sagte von der Leyen etwa am Dienstag. Am selben Tag verabschiedete das Parlament in Georgien ein Gesetz, das Medien und Zivilgesellschaft an die Kette legen soll, offiziell auch hier mit dem Ziel, ausländische Einflussnahme zu bekämpfen.
Die EU kritisierte das Gesetz scharf. Wenn sie glaubwürdig bleiben will als Werbeträgerin für die Demokratie, wird die EU einen Weg finden müssen, sich von den Autoritären abzugrenzen – nicht nur im Handeln, sondern auch in der Rhetorik.