Woran es nach einem Tag wie dem Freitag nicht mangelt, sind Vorschläge, wie das Ganze zu deuten sei. Ex-CDU-Chef Armin Laschet etwa schrieb am Samstag auf X: Wenn jemand einmal nicht in höchste Ämter gewählt werde, „ist das Demokratie und keine Demokratiekrise.“ Matthias Miersch, Fraktionschef der SPD im Bundestag, schrieb in einem offenen Brief von der „bewussten Demontage unseres höchsten deutschen Gerichts und unserer demokratischen Institutionen“.
Das ist die Bandbreite der Interpretationsvorschläge – und zwar innerhalb von Schwarz-Rot. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sagte im ZDF-Sommerinterview gestern, die Koalition habe sich „selbst beschädigt“. Er drängte darauf, „in näherer Zeit“ eine Entscheidung über die Verfassungsrichter zu treffen.
Noch läuft das blame game: Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Dirk Wiese, sprach am Freitag von „einem Autoritätsproblem von Jens Spahn und Friedrich Merz.“ SPD-Fraktionschef Miersch kritisierte in der SZ das Niveau der Debatte: Frauke Brosius-Gersdorf sei Opfer einer Schmutzkampagne geworden, „wie wir sie selten erlebt haben“. Ihre Stellungnahmen, etwa zu Schwangerschaftsabbrüchen, seien „völlig verkürzt dargestellt“ worden, sagte Miersch zu Nicolas Richter.
SPD hält an der Kandidatin fest: Nach einem Plan, wie die drei Richter gewählt werden sollen, sieht es aber noch nicht aus. Die SPD will an Brosius-Gersdorf festhalten, schlägt vor, dass sie sich in der Unionsfraktion vorstellt, auch die Idee eines Gesprächs zwischen ihr und den Führungsgremien von CDU und CSU hat Miersch in den Raum gestellt.
Lieber nicht: In der Union gibt es derweil kein großes Bedürfnis nach einem Termin mit der Staatsrechtlerin. Sie solle sich vielmehr die Frage stellen, ob sie ihre Kandidatur aufrechterhalte, sagte Tilman Kuban dem Tagesspiegel. Der SPD warf er „Uneinsichtigkeit und Kompromisslosigkeit“ vor. Damit halten im Wesentlichen alle Beteiligten an ihren Positionen fest.
Wie geht es weiter? Die Zeitschiene für die Richterwahl bestimmt das Ende der Amtszeit des Richters, um dessen Nachfolge es geht. Im Fall von Frauke Brosius-Gersdorf ist das Doris König, ihre Amtszeit endete am 30. Juni. Laut Bundesverfassungsgerichtsgesetz muss innerhalb von zwei Monaten eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger gewählt werden, also bis Ende August. Andernfalls fordert das älteste Mitglied des Wahlausschusses im Bundestag das Bundesverfassungsgericht auf, selbst Vorschläge zu machen.
Wann kann der Bundesrat übernehmen? So geschehen im Fall von Günter Spinner, jenem Kandidaten, der nun auf dem Unionsticket zur Wahl steht. Das Gesetz sieht aber keine Frist vor, bis zu der Karlsruhe selbst Vorschläge machen muss, die Richter könnten abwarten, was sich im Bundestag tut. Machen sie aber einen Vorschlag, gilt für die Wahl eine Frist von drei Monaten. Weil Karlsruhe die Kandidaten rund um Spinner Ende Mai vorschlug, müsste er bis Ende August gewählt werden, andernfalls kann der Bundesrat die Wahl übernehmen.