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Briefing

Platz der Republik,

Fader Haushalt und knallige Fahnen

Guten Morgen. Nach dem Haushalt ist vor dem Haushalt: In dieser Woche machen sich die Expertinnen und Experten im Bundestag daran, das Budget von Finanzminister Lars Klingbeil für das laufende Jahr zu beraten. Zu einem Abschluss wird es vor den Parlamentsferien aber nicht mehr kommen, für die zweite Lesung bleibt keine Zeit mehr. Deshalb verkürzt der Bundestag seine Sommerpause im September um eine Woche.

Apropos Sommerpause: Die beginnt für das Parlament nach dieser Sitzungswoche. Da bleibt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundestagsverwaltung ja noch genug Zeit, sich auf eine Teilnahme der Berliner Pride-Parade am 26. Juli vorzubereiten – natürlich nur, wenn sie vorher einen Urlaubsantrag gestellt haben.

Was die neue Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sophie Koch, zur Regenbogenfahnen-Debatte sagt, lesen Sie heute im Tiefgang.

Willkommen am Platz der Republik.

1.

Polen hat offiziell mit den Kontrollen des Grenzverkehrs nach Deutschland begonnen. Ursprünglich war der Start für Mitternacht geplant, teilweise gab es jedoch bereits gestern Abend erste Stichproben. Wegen der drohenden Staus hat das Bundesinnenministerium angekündigt, dass die Bundespolizei bauliche Anpassungen an der A12 prüft, „die einer Entlastung der Verkehrssituation an der deutsch-polnischen Grenze dienen könnten.“

Showdown an der Grenze: Verkehrsbehinderungen gibt es auf polnischer Seite bereits – wegen der Kontrollen auf deutscher Seite, die schon seit Monaten laufen. Diese waren der Grund, warum die polnische Regierung ihrerseits Überprüfungen aufnehmen will. Regierungschef Donald Tusk hatte in der vergangenen Woche mitgeteilt, dass mehrmaligen Bitten nach Berlin, die Kontrollen einzustellen, nicht nachgekommen worden war. Polens Geduld sei nun zu Ende.

Das Angebot steht noch: Die Kontrollen sollen stichprobenartig vor allem Busse, Kleinbusse und Pkw mit vielen Insassen betreffen, wie der Sprecher des polnischen Grenzschutzes, Konrad Szwed, der Nachrichtenagentur PAP sagte. Warschau ist laut Innenminister Tomasz Siemoniak aber zum Verzicht auf die Kontrollen bereit, wenn die Bundesregierung die Kontrollen einstellt.

Oder doch gemeinsam? Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) warb indes für gemeinsame Kontrollen von Deutschland und Polen. Er stelle sich als ehemaliger Polen-Koordinator die Frage, weshalb die Grenzkontrollen nicht von deutschen und polnischen Polizeikräften durchgeführt werden. „Hier ist ein Signal von der Bundesregierung überfällig“, sagte er der Märkischen Oderzeitung.

2.

Heute um 9.30 Uhr will die AfD die Klage vorstellen, mit der sie sich eigenen Angaben zufolge am Freitag an das Bundesverfassungsgericht gewandt hat. Ihr Ziel: Sie will in den zweitgrößten Fraktionssitzungssaal im Bundestag umziehen, in den Otto-Wels-Saal, in dem traditionell die SPD tagt. Weil ihr derzeitiger Raum zu klein sei, sei sie in ihrer Arbeitsfähigkeit und in ihren parlamentarischen Rechten eingeschränkt, argumentiert die AfD. Auch der Gleichheitsgrundsatz und die Rechte der Opposition würden missachtet. Tim Frehler berichtet.

Hauptgegner ist die Union: Am Wochenende hatte sich die Fraktion im Bundestag zu einer Strategieklausur getroffen. Der Auftritt von Alice Weidel und Tino Chrupalla am Samstagvormittag vor Journalisten folgte denn aber weitgehend der bekannten Strategie: Zentrales Ziel der Angriffe ist weiterhin die Union. Weidel nannte Bundeskanzler Friedrich Merz wegen seines Kurswechsels in Sachen Schuldenbremse „wert-und prinzipienlos“. Chrupalla sagte, Merz habe sich „unter das Klingbeil der SPD gelegt“, weil die Stromsteuer doch nicht für alle gesenkt wird.

Auf Wiedervorlage: Weidel kündigte an, die AfD werde im Bundestag Gesetzesanträge mit Positionen zur Abstimmung bringen, die CDU und CSU im Wahlkampf vertreten hätten. So will die AfD die Glaubwürdigkeit der Union diskreditieren. Das Ziel dahinter: „Es werden dann immer mehr Wähler umdenken“, sagte Weidel.

Praktisch: Gelegen kommt der AfD dabei die jüngste Debatte rund um eine mögliche Zusammenarbeit mit dem BSW, bietet sie doch die Möglichkeit, Landesregierungen wie die in Thüringen noch stärker unter Druck zu setzen. In der AfD hat man diese Chance erkannt: Es sei völlig normal, dass man auf Landesebene darüber diskutiere, „wie man Mehrheiten auch verändern kann“, sagte Parteichef Chrupalla am Samstag im Bundestag. „Um der CDU im Prinzip auch diesen Druck zu geben, dass man in Deutschland auf Landesebene demnächst auch andere Regierungen sehen wird.“

Rotstift angesetzt: Auf ihrer Fraktionsklausur hat die AfD am Wochenende auch ein Positionspapier beschlossen. Der Satz: „Wohnraum für Einheimische durch Remigration schaffen“, der noch in einem Entwurf stand, findet sich im endgültigen Papier nicht mehr. Dort heißt es nun: „Wohnungsmarkt entspannen, illegale Zuwanderung stoppen.“ Begeistert davon, dass der Begriff Remigration gestrichen wurde, waren offenbar nicht alle in der Partei. Björn Höcke postete gestern in sozialen Medien einen Beitrag, in dem er für das Buch des Rechtsextremisten Martin Sellner mit dem Titel „Remigration – Ein Vorschlag“ warb. Hans-Christoph Berndt, Fraktionschef der AfD im Brandenburger Landtag, schrieb auf X, das Positionspapier der Bundestagsfraktion sei gut. „Der Begriff Remigration auch.“ Er werde ihn „mit Sicherheit nicht aufgeben“.

Tief im Westen: Das Landesschiedsgericht der AfD in NRW hat am Samstag Matthias Helferich aus der Partei ausgeschlossen – jedenfalls in erster Instanz. Helferich spricht von einem „Willkürurteil“, er freue sich auf die zweite Instanz, schrieb er in sozialen Medien. Das ist das Bundesschiedsgericht. Scheitert er auch dort, hat Helferich noch die Möglichkeit, vor ein Zivilgericht zu ziehen. Kurios an der Sache ist: Während ihn sein eigener Landesverband nun aus der Partei ausschloss, nahm ihn die Bundestagsfraktion zuletzt in ihre Reihen auf.

3.

Der neue Digitalminister Karsten Wildberger (CDU) will die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung entschieden vorantreiben und dabei mit zwei Testregionen anfangen. „Wir werden uns jetzt mit mindestens zwei Bundesländern exemplarisch anschauen, welche Bürgerleistungen in bestimmten Kommunen gut funktionieren und was es braucht, um die flächendeckend auszurollen“, sagte Wildberger im Interview mit unserem Dossier Digitalwende und der SZ. Welche Bundesländer das seien, ließ er zunächst offen. Das Ziel sei es, „in zweieinhalb Jahren 50 Prozent mehr digitale Bürgerleistungen in diesen Ländern zu haben“.

Die besten Lösungen für alle Länder: Wenn es in diesen Ländern funktioniere, könne davon eine enorme Dynamik ausgehen, das würde die Prozesse in den anderen Ländern dann beschleunigen. „Parallel dazu sammeln wir die besten digitalen Lösungen in den einzelnen Ländern ein und fragen, ob wir die als Bund allen zentral anbieten dürfen“, fügte Wildberger an.

Es soll nicht jeder sein eigenes Süppchen kochen: Der Digitalminister ist der Meinung, es müsse ein Ende haben, dass einzelne Kommunen ihre eigenen Lösungen bauten. „Wenn es einfach nur darum geht, Dinge selbst machen zu wollen, ist das kein gutes Argument“, fügte er an. Ihn interessierten die strukturellen Fragen, nicht die taktischen.

Das komplette Interview von Vivien Timmler, Matthias Punz und Caspar Busse können Sie heute in unserem Dossier Digitalwende lesen.

„Ich war der Auffassung, wir beenden diesen Kulturkampf und gehen jetzt zur Sachpolitik über“: Eigentlich wollte Sophie Koch in ihrem neuen Amt gleich in die Umsetzung kommen. Die 32-Jährige ist SPD-Landtagsabgeordnete in Sachsen und nun die neue Queerbeauftragte der Bundesregierung; oder wie der Titel korrekt lautet: Beauftragte der Bundesregierung für die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt.

Sie hat den Posten angetreten, um die Belange der queeren Community sichtbarer zu machen und ihre Rechte zu stärken – und ultimativ über Artikel 3 auch in der Verfassung zu verankern.

Doch momentan ist sie vorrangig damit beschäftigt zu kritisieren, klarzustellen und zu mahnen, statt Diskurse über die Reform des Abstammungsrechts oder die Evaluierung des Selbstbestimmungsrechts anzustoßen. Spätestens seit sich Friedrich Merz mit der Aussage, das Parlament sei schließlich kein „Zirkuszelt“ in die Julia-Klöckner-Regenbogenfahnen-Debatte eingeschaltet hat, steht das Thema oben auf der Debatten-Tagesordnung.

Dabei ist die Frage, wie groß die Toleranz für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in Deutschland ist, durch den zunehmenden Hass und die Gewalt gegenüber queeren Menschen längst beantwortet: bei weitem nicht groß genug.

Jeden Tag gibt es neue Meldungen darüber, dass CSD-Umzüge aus Sicherheitsbedenken abgesagt oder umgeplant werden müssen, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Paraden beleidigt, bedroht oder sogar angegriffen werden.

Ging der Blick vor einiger Zeit bewundernd nach Budapest, wo sich viele Tausend Menschen trotz drohender Repressionen durch die ungarische Staatsführung zur Pride-Parade versammelten, schaut man jetzt bedrückt nach Bautzen, Regensburg oder Pforzheim.

Kochs Büro als Bundesbeauftragte ist im Familienministerium angedockt, das von der Christdemokratin Karin Prien geführt wird. Ist das ein Problem? „In Karin Prien sehe ich eine Verbündete“, sagt Koch im Interview mit SZ Dossier.

Sie misst die konservative Bildungsministerin an deren öffentlichen Versicherung, dass sie nicht hinter das bereits Erreichte zurücktreten wolle. „Ich kaufe ihr das total ab.“ Sie glaube auch nicht, dass die Aussage von Bundestagspräsidentin Klöckner und Kanzler Merz Teil einer großen Strategie der Union zur Einschränkung der Rechte queerer Menschen seien.

Die Queerbeauftragte glaubt auch weiter an Priens gute Absichten, obwohl diese in ihrem Ministerium jüngst in altbewährter Unions-Manier das Gendern – zumindest in Teilen – verbietet. „Es ist ja nicht komplett verboten, es ist eingeschränkt und ich werde auch weiter gendergerechte Sprache verwenden“, so Koch.

Was sie aber ärgere: Dass dieser Vorstoß, genau wie das Verbot der CSD-Teilnahme der queeren Bundestagsgruppe, nicht vorher in einem Dialog mit den Beteiligten erörtert wurde. „Ich hätte zu den Themen gerne eigentlich ein Gespräch geführt.“ Dann hätte es bestimmt auch gute, kreative Lösungen gegeben.

Von wegen Brückenbauen: Es ist Koch, neben der Arbeit mit der Regierung und dem Parlament, um die Rechte der LGBTQ-Gemeinschaft weiter zu stärken und auszubauen, ein wichtiges Anliegen aufzuklären, zu sensibilisieren, Verständnis zu schaffen. „Ich will niemanden bekehren, im Idealfall will ich Menschen überzeugen, warum wir Gesetze ändern müssen.“

Und auch in der Gesellschaft für mehr Toleranz zu werben. Kochs eigene Erfahrung mit Seminaren für Polizistinnen und Polizisten in Sachsen habe ihr gezeigt, dass Vorurteile und Ablehnung oft aus Unwissenheit und auch Scham entstehen, berichtet sie. Der sachliche Austausch sei wichtig und eben nicht der Kulturkampf: „Es geht nicht mit ‚Ich schreie das und du antwortest das‘“, sagt die Queerbeauftragte.

Dass sie aus Sachsen kommt, sieht Koch als großen Vorteil für ihr Amt: „Es macht einen Unterschied, ob ich mich auf den Weg zum CSD in Köln oder Berlin mache, wo ich allein schon auf der Weg dahin mit 1000 Menschen unterwegs bin, oder ob ich den Zug nach Bautzen nehme. Da packe ich die Regenbogenfahne vielleicht weg, bis ich aussteige.“ Diese Perspektive zu kennen und einzubringen, sei ihr wichtig: Koch kennt das Gefühl, sich als queerer Mensch in der Öffentlichkeit unsicher zu fühlen und will das ändern.

Für sie gehört da auch die Änderung von Artikel 3 des Grundgesetzes dazu. Dort steht zwar, dass niemand wegen seines Geschlechtes benachteiligt werden darf, die sexuelle Vielfalt fehlt jedoch bislang. Eine Grundgesetzänderung ist ein großes Unterfangen; Koch freut sich deshalb, dass das Land Berlin eine entsprechende Bundesratsinitiative startet: „Ein schönes Signal ist auch, dass es ein CDU-geführtes Land ist, das die Initiative einbringt.“

von Elena Müller

4.

Arbeitsgruppe Pflegereform startet: Heute konstituiert Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) die Bund-Länder-Arbeitsgruppe für die Pflegereform. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Ländern, sowie kommunalen Spitzenverbänden soll Warken vor Jahresende Vorschläge für eine „große Pflegereform“ vorlegen. So sieht es der Koalitionsvertrag vor.

Punkte die Arbeitsgruppe in den Blick nehmen soll: Das sind unter anderem die „Bündelung und Fokussierung“ der Leistungen in der Pflegeversicherung, die „Möglichkeiten zur Stärkung der pflegenden Angehörigen“ und die Begrenzung der Eigenanteile, die Pflegebedürftige für ihre Versorgung selbst bezahlen müssen.

5.

U-Ausschuss gefordert: In der „Masken-Affäre“ um Jens Spahn (CDU) erhöht die Opposition den Druck. Sowohl Grüne als auch Linke verlangen einen Untersuchungsausschuss. „Das Mindeste ist jetzt, für eine lückenlose Aufklärung der persönlichen Einflussnahmen Spahns zu sorgen und dafür die Verantwortung zu übernehmen“, sagte Linken-Fraktionschefin Heidi Reichinnek der SZ. Ähnlich äußerte sich Janosch Dahmen, der Gesundheitsexperte der Grünen.

Mehrheit fehlt: Grüne und Linke haben gemeinsam nicht genug Stimmen, um einen Untersuchungsausschuss durchzusetzen. Reichinnek setzt deshalb auf die Sozialdemokraten: „Wenn die Union nicht bereit ist, für Aufklärung zu sorgen, obwohl man doch nichts zu verbergen hat, muss wenigstens die SPD den Rücken gerade machen und einen Untersuchungsausschuss ermöglichen“, sagte sie.

Vorwurf der Lüge: Spahn selbst hatte sich am Wochenende in der Bild am Sonntag zu den Vorwürfen geäußert. „Ich habe da nichts zu verbergen“, sagte er. „Ich sage da die Wahrheit nach bestem Wissen und Gewissen.“ Er verwehrte sich zudem gegen den aus seiner Sicht „konstruierten Vorwurf von Lügen“.

6.

Jüngste Abgeordnete: Die 22-jährige Studentin Lisa Schubert nimmt ab August ihr Bundestagsmandat für die Fraktion Die Linke auf und löst damit den bislang jüngsten Abgeordneten, ihren 23-jährigen Parteikollegen Luke Hoß, in der Statistik ab.

Gesundheitliche Gründe: Schubert rückt für Uwe Foullong aus Bottrop nach. Foullong gab am Sonntag bekannt, dass er sein Mandat aus gesundheitlichen Gründen nicht weiterführen kann. Schubert rückt über die NRW-Landesliste nach; sie kandidierte zu den Bundestagswahlen im Wahlkreis 106 (Düsseldorf II – Süd).

Freue mich über jede Baustelle.

Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) sagte im Deutschlandfunk, Autofahrer und Zugreisende müssten zwar mit Beeinträchtigungen rechnen, die Investitionen in Straße und Schiene seien aber dringend notwendig

Es graut einem jetzt schon vor den Bildern und Slogans: Elon Musk hat die Gründung einer eigenen Partei angekündigt. Ist die Welt durch Donald Trump schon geschädigt von MAGA, goldenen Jets und schlechten KI-Videos, bleibt nur zu hoffen, dass es mit der „America Party“ des Techmilliardärs nicht noch schlimmer kommt.

Basecaps mit phallusförmigen Raketen, Teslas mit großflächigen Musk-Slogans und X als Wahlkampf-Zentrale: Abgesehen von den politischen Inhalten, die auf die USA zukommen werden, wird Musks neuestes Projekt relativ sicher zur Symbolschlacht.

Die Gag-Schreiber der US-Talkmaster spitzen bestimmt schon die Stifte.

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