Das Auswärtige Amt hat gestern den iranischen Botschafter einbestellt. Zuvor hatte die Polizei im dänischen Aarhus in der vergangenen Woche auf Geheiß von Generalbundesanwalt Jens Rommel einen Verdächtigen festnehmen lassen. Er soll Gebäude und mögliche Zielpersonen in Berlin ausgekundschaftet haben und durch die Quds-Brigaden der iranischen Revolutionswächter beauftragt worden sein.
Gefahr für Jüdinnen und Juden: „Wir dulden keinerlei Bedrohung jüdischen Lebens in Deutschland“, postete das Auswärtige Amt auf X. Der Verdacht gegen den Mann „wegen mutmaßlicher Agententätigkeit für Iran muss lückenlos aufgeklärt werden“, hieß es weiter. Die Bundesanwaltschaft wirft Ali S. Spionage im Auftrag Teherans vor. „Wenn sich dieser Verdacht bestätigen sollte, dann wäre das ein ungeheuerlicher Vorgang, der erneut verdeutlichen würde, dass Iran überall auf der Welt eine Gefahr für Jüdinnen und Juden ist“, sagte Außenminister Johann Wadephul.
Kritische Lageeinschätzung: Am 13. Juni verschickte das Bundeskriminalamt (BKA) eine Einschätzung als Verschlusssache an die anderen Sicherheitsbehörden in Deutschland. In der Lageeinschätzung, die der SZ vorliegt und über die Christoph Koopmann berichtet, wird skizziert, welche Auswirkungen das Bombardement iranischer Atomanlagen und die Angriffe auf Regimekader in Teheran durch die israelische Armee auf die Sicherheitslage für Israelis und Juden in Deutschland haben könnte.
Die Befürchtung: Vergeltung. Unter anderem müsse ein „verstärktes asymmetrisches Vorgehen“ der iranischen Quds-Brigade gegen israelische und jüdische Ziele in Deutschland „zumindest in Betracht gezogen werden“, schreibt das BKA. Ali S. soll im Juni mindestens drei Ziele in Deutschland ausgespäht haben, vorwiegend in Berlin. Darunter die Bundesgeschäftsstelle der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG) sowie ein Gebäude, in dem sich der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, hin und wieder aufhalten soll. Das bestätigten mehrere Personen, die mit den Ermittlungen vertraut sind, der SZ. Zuvor hatte der Spiegel darüber berichtet.
Im Blick des Verfassungsschutzes: Ali S. soll unter anderem Fotos von den Gebäuden gemacht haben. Womöglich, um sie für spätere Anschlagspläne zu nutzen. Und das, so sehen es die Ermittler, im Auftrag der Quds-Brigade. Schon vor Monaten sollen diese Ali S. nach SZ-Informationen aus Ermittlerkreisen Instruktionen erteilt haben, israelische und jüdische Einrichtungen und Persönlichkeiten auszukundschaften. Ebenfalls seit Monaten soll der Verfassungsschutz den Verdächtigen im Blick gehabt haben.
Irans Botschaft dementiert: Der Zugriff erfolgte nun am vergangenen Donnerstag im dänischen Aarhus. Ali S. ist dänischer Staatsbürger und hat afghanische Wurzeln. Er soll erst mal nach Deutschland überstellt und in Karlsruhe dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Irans Botschaft in Berlin dementierte die Vorwürfe am Dienstag und sprach der iranischen Nachrichtenagentur Isna zufolge von „unbegründeten und gefährlichen Behauptungen“.