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Briefing

Platz der Republik,

Zum Einfluss auf Trump ist es noch weit

Guten Morgen. Friedrich Merz flog nach eigener Auskunft zufrieden nach Hause. Zufrieden über die Anfänge einer Beziehung mit Donald Trump, über die erfahrene Behandlung und einen freundlichen X-Post „gefolgt von einem roten Herz-Emoji“, wie die dpa, stets aufmerksam, berichtete.

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Der Präsident habe seine Einladung zu einem Deutschlandbesuch angenommen, sagte Merz nach seinen Terminen mit Trump der ARD. „Wir haben heute ein Fundament gelegt für sehr gute persönliche, aber auch politisch zielführende Gespräche.“

Ein „Fundament“ also: Seine eigenen Punkte konnte der Bundeskanzler zwar setzen. Er warb dafür, auch Trump möge Druck auf Russland machen, um den Krieg gegen die Ukraine zu beenden. Allein: Der überhörte es. Bleibt viel zu tun, um auch tatsächlich Einfluss auf Trump zu gewinnen.

Die Deutschen erwarten das allerdings gar nicht: Laut dem Morgenbriefing zum neuen ZDF-Politbarometer glauben 61 Prozent nicht, dass sich an den deutsch-amerikanischen Beziehungen unter Merz viel ändert – Beziehungen, die drei Viertel der Befragten für schlecht oder sehr schlecht halten.

Willkommen am Platz der Republik.

1.

Dixit Donald Trump: „Er ist ein guter Mann, ein schwieriger Mann – darf ich das sagen? Ist positiv gemeint, er würde nicht wollen, dass ich sage, dass er einfach ist, oder?“ Auf der Skala von Rauswurf bis Bro-Vibes reichte es für Merz zu recht solidem Respekt.

Kanzlers Ehrgeiz: Man konnte aus einiger Vorberichterstattung den Eindruck gewinnen, es gehe für den Bundeskanzler bloß darum, den Besuch im Weißen Haus unbeschadet zu überstehen. Also zu hoffen, nicht gerade dann präsent zu sein, wenn der unvermeidliche Regenguss dort niedergeht. Wenn das der Anspruch wäre: Man müsste bloß nicht nach Washington reisen, dann würde man nicht nass. Merz aber wollte etwas erreichen.

Der Schlüssel: Mehr zuhören als sprechen, mehr Fragen stellen als Antworten geben – und Trump auf seine Macht hinweisen, auf Russland einzuwirken. Zweimal ergriff der Kanzler das Wort, zweimal gab er seine Zeit genau dafür aus.

Er erinnerte ans heutige D-Day-Jubiläum. „Da haben die USA einen Krieg beendet. Und sind heute wieder so stark, einen Krieg beenden zu können“, sagte Merz. Darüber wolle er mit Trump sprechen. „Werden wir“, entgegnete der (um dann Amerikas Wirtschaftszahlen zu loben). Trump sagte nicht nein, er widersprach nicht offen, schloss Sanktionen nicht aus. Er berichtete allerdings auch von seinem Telefonat mit Wladimir Putin: Nach eigenen Angaben verglich er den Krieg dabei mit einer Schlägerei unter Minderjährigen.

Lief für Merz: Das Gewitter ging stattdessen über Elon Musk nieder, über den sich Trump in Merz’ Gegenwart schwer enttäuscht äußerte. Und über Angela Merkel: Erstens habe er sie damals vor einer liberalen Flüchtlingspolitik gewarnt, berichtete Trump. Zweitens auch vor Nord Stream 2. Dass die Pipeline nicht fertig gebaut wurde, sei sein Verdienst. (Zeitlich wurde sie in den Amtszeiten von Joe Biden und Olaf Scholz gestoppt.) Das deutsche Versprechen, die Verteidigungsausgaben deutlich zu erhöhen, lobte Trump.

Der Präsident war offensichtlich vorbereitet: zu Deutschland, zum Nato-Ministertreffen in Brüssel, zu Russland. Und wer weiß, vielleicht sogar zum Verhältnis zwischen Merz und Merkel.

2.

Verteidigungsminister Boris Pistorius hat die Frage selbst gestellt und damit eigentlich beantwortet: „Reicht der neue Wehrdienst aus über die nächsten Jahre?“, sagte er in Brüssel beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister. Warum? Weil die Bundeswehr wachsen muss. „Wir gehen davon aus – das ist aber auch nur eine Daumengröße, um es klar zu sagen – dass wir rund 50 000 bis 60 000 Soldatinnen und Soldaten in den stehenden Streitkräften mehr brauchen als heute.“

Zweitgrößter Partner: Pistorius’ Schätzung leitet sich aus den der Lage – der russischen Bedrohung – angepassten Planungen der Nato ab, die die Minister nun beschlossen. Generalsekretär Mark Rutte fordert von den Alliierten mehr von allem, um „auf jede Bedrohung vorbereitet zu sein“. Neben Luft- und Raketenabwehr und weitreichenden Waffensystemen geht es auch um große Verbände von Landstreitkräften; die konkreten Planungsziele sind als streng geheim eingestuft. „Wir übernehmen traditionell – und das wird nicht anders sein dieses Mal – das zweitgrößte Paket an Fähigkeiten innerhalb der Nato“, sagte Pistorius.

Von Gleichbehandlung und purer Not: Die Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht ist damit schon deutlich weiter als der Vorschlag, den Pistorius im vergangenen Jahr vorgelegt hatte. Er sieht eine verpflichtende Erfassung vor, eine Einlassung zu ihrer Bereitschaft zum Wehrdienst müssen aber nur junge Männer abgeben, Frauen können. Zum Jahresende 2024 gab es nach Zahlen des Verteidigungsministeriums 181 000 Soldatinnen und Soldaten; das Ziel derzeit liegt knapp nördlich der 200 000.

Guter Rat: Trump wusste zu berichten, dass die Bewerberzahlen für das US-Militär seit seinem Amtsantritt enorm gestiegen seien. Wie das ging, fragte Merz: „Spirit“, bekam er zur Antwort.

3.

„Wer bestellt, bezahlt“: Die Ministerpräsidentenkonferenz taten sich recht schwer damit, ihr recht kraftvoll vorgetragenes Argument mit Verhandlungsmasse zu unterfüttern. Denn dass es den so genannten Investitionsbooster brauche, daran habe er keinen Zweifel, sagte der niedersächsische Ministerpräsident Olaf Lies nach dem Treffen. „Es ist nur ein Baustein. Es ist aber ein nicht unerheblicher Baustein.“

Was soll schon geschehen? Tatsächlich ist die Lage für die Bundesregierung recht komfortabel: Die Länderchefs von SPD und Union können aus ihren Parteirollen heraus kaum ein Scheitern des Pakets riskieren – schließlich haben einige von ihnen selbst dafür gesorgt, dass die Interessen der Länder im Koalitionsvertrag deutlich verankert wurden.

Daher der Wunsch nach Tempo: Eine Entscheidung im Bundesrat soll noch vor der Sommerpause fallen, dafür ist Zeit bis zum 11. Juli. In zwei Wochen, am 18. Juni, wollen Bund und Länder das Entlastungs-, Subventions- und Investitionspaket weiter beraten, dann auch mit dem Bundeskanzler. Das kündigten SPD-Mann Lies und der sächsische Kollege Michael Kretschmer von der CDU an.

Staatsumbau: Zugleich richten die Länderchefs den Blick auf eine größere Baustelle: den Staatsumbau. In ihrem Beschluss fordern sie klare Schritte zur Verschlankung staatlicher Strukturen, zur Bündelung von Aufgaben – auch im digitalen Bereich – und denken offen über eine Reform des Föderalismus nach. Eine gemeinsame „Modernisierungsagenda“ mit dem Bund soll bis Dezember vorliegen.

4.

Thomas de Maizière (CDU) bekräftigte gestern die Forderung nach einer tiefgehenden Reform des Staates. Der ehemalige Kanzleramtschef, mehrmalige Bundesminister und Mitgründer der Initiative für einen handlungsfähigen Staat kritisierte das (im Grundgesetz festgeschriebene) Ressortprinzip. Einst in Preußen erfunden, um die Macht des Königs zu begrenzen, sei es heute zur „fälschlich vorgetragenen Ausrede für Ressortegoismen“ verkommen.

Ergebnis: Es gebe keine gemeinsamen Standards bei der Digitalisierung, sagte de Maizière auf dem Creative Bureaucracy Festival. Mein Kollege Matthias Punz berichtet von dort, ausführlich auch im Dossier Digitalwende. Dem neuen Digitalminister Karsten Wildberger empfahl de Maizière, Mitautor der Diskussionsgrundlage der Ministerpräsidenten, mit der Digitalisierung von Massenanwendungen in der Verwaltung zu beginnen – zum Beispiel mit Kfz-Zulassungen.

Experiment mit ungewissem Ausgang: Der Erfolg des BMDS werde sich nicht automatisch einstellen, so de Maizière. Der Knackpunkt werde, Digitalisierung und Staatsmodernisierung wirklich zu verbinden. Sprich: Aufzuhören, analoge Prozesse weitgehend ähnlich digital abzubilden, sondern die Prozesse selbst zu ändern. „Eine neue Verwaltungskultur entsteht durch digitale Prozesse“, sagte er. Dafür brauche es aber die restlichen Bundesressorts – und vor allem die Länder.

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Geert Wilders war nie als großer Verehrer der deutschen Politik bekannt. Jetzt nahm er von ihr Anleihen – in der Migrationsfrage. Das Ergebnis: ein Regierungskrach, der nicht nur Den Haag erschüttert, sondern zeigt, wie eng europäische Innenpolitik mittlerweile verzahnt ist. Fünf Beobachtungen.

Erstens: Wilders und seine Migrationsministerin Marjolein Faber bezogen sich vergangene Woche ausdrücklich auf Berlin: Die migrationspolitischen Forderungen waren direkt von der Bundesregierung abgeschaut. Zurückweisungen, eine Einschränkung des Familiennachzugs, die Schließung von Asylzentren – und die Ausrufung einer „nationalen Notlage“ als rechtliche Grundlage kam in den Niederlanden erst auf, nachdem Berlin darauf abhob, um die neuen Grenzkontrollen zu begründen.

Zweitens: Seine Koalitionspartner zeigten sich bereit, einiges davon mitzutragen. Wilders legte aber noch etwas drauf, das sie nicht akzeptieren konnten. Seine Bereitschaft, im Zweifel Gerichtsurteile bis hin zum Europäischen Gerichtshof zu ignorieren, war der eine Schritt zu weit.

Wilders müht sich nach Kräften, seit er die Regierung am Dienstag platzen ließ, dies mit fehlender Bereitschaft seiner Partner zu harten Schnitten zu begründen. Eine schärfere Migrationspolitik war aber ein geteiltes Ziel der Regierung – sie hätte mit ihm nach Hause gehen können. Seit der Parlamentswahl 2023 hat die PVV ihren deutlichen Vorsprung in den Umfragen nach und nach verloren.

Der unerwartete Rückzug aus der Koalition wird vielerorts als mangelnde Verantwortungsbereitschaft gewertet. In aktuellen Umfragen liegt Wilders nur noch gleichauf mit der liberalen VVD, mit weiter fallender Tendenz.

Drittens: Die PVV ist ein Ein-Mann-Unternehmen. Wilders ist nicht nur Parteichef, sondern auch einziges Mitglied seiner eigenen Partei. Dass er nun die Regierung sprengte, verweist auch auf strukturelle Schwächen. Wilders ist ein begabter Rechtspopulist – aber er hat kein funktionierendes Partei- und Personalnetzwerk, musste nie Programmarbeit auf einem Parteitag machen, hatte niemanden, der, neu im Amt, die Mittel und Ressourcen einer Ministerialverwaltung wirkungsvoll einsetzen konnte. Die PVV kann Empörung, aber sie hat nun bewiesen, dass sie kein Regieren kann.

Die Geschichte ist insofern eine Bestätigung für jene, die argumentieren, man solle extreme Parteien wie auch die AfD eben einmal ranlassen, dann würden sie sich schon entzaubern. Das gilt – auch in den Niederlanden – freilich kaum für die Wähler, denen die Geste, es dem Establishment zu zeigen, Grund genug ist für Fan-Tum und Verehrung.

Viertens: Dass Migration aktuell nicht die alles überlagernde Rolle spielt wie in früheren Wahlkämpfen, liegt wiederum auch an der Bundesregierung. Ihre jüngsten Maßnahmen – und der insgesamt nachlassende Migrationsdruck – haben die politische Lage beruhigt. Gut möglich, dass sich Wilders auch hier verkalkuliert hat.

Die neue Lage lädt nun dazu ein, das dichte Feld etwas zu entzerren, auf dem die niederländischen Parteien um Vertrauen bei Wählerinnen und Wählern kämpfen. Die PVV bleibt, was sie ist: eine Partei, die einen starken Sozialstaat verspricht – aber nur für Inländer. Selbst dieses Versprechen hat sie bislang nicht eingelöst.

Die VVD, die Partei des früheren Premiers Mark Rutte, nimmt klassische und harte liberale Positionen ein, was Wirtschaft und Sicherheitspolitik angeht. Die sozialdemokratische PvdA zieht ihre Allianz mit den Grünen nach links. Frans Timmermans, ihr starker Mann, nach sichtbarer äußerer Verwandlung kaum wiederzuerkennen, bleibt ein Gesicht für linke Klimapolitik mit EU-Erfahrung.

Fünftens: Und die Christdemokraten? Die CDA hat bei der Wahl 2023 in den Abgrund geblickt – und dort andere EVP-Parteien liegen sehen, etwa aus Frankreich. Seither geht es in den Umfragen aufwärts, sodass sie heute fast schon wieder die drei größten Parteien im Blick hat. Neue Formationen wie die Bauern-Bürger-Bewegung (BBB) und die NSC von Pieter Omtzigt – eine CDA-Abspaltung – räumen den Platz. Omtzigts Partei ist von 13 auf 1,5 Prozent abgestürzt: Das politische Zentrum öffnet sich wieder. Der Wahltermin läuft auf den 29. Oktober hinaus.

von Florian Eder

5.

Genau richtig so: Mit der Senkung des Leitzinses auf zwei Prozent und einer gesenkten Inflationsprognose sieht sich die Europäische Zentralbank „am Ende eines Zyklus“, wie ihre Präsidentin Christine Lagarde sagte. Also: da, wo die Inflation für sie hingehört, nach mehr als einem Jahrzehnt erst zu hoher und zuletzt zu niedriger Inflation.

Ab jetzt gilt daher: Weitere Senkungen wären eher eine Reaktion auf mögliche Entwicklungen denn der nun lange hartnäckig unternommene Versuch, die Inflationsrate dem Zielwert und Mandat der EZB anzupassen.

6.

Über Bayern nur der Himmel: Markus Söder hat mit seinem Faible für die Raumfahrt die Kollegen Winfried Kretschmann und Andreas Bovenschulte angesteckt. Die drei fordern gemeinsam, beim „Zukunftsthema Raumfahrt“ müsse Deutschland „international vorne dabei sein“. Söder sieht sich klar im Lead, gar keine Frage: „Als Space-Valley geht Bayern als Bundesland voran“, teilte er mit, unter Verweis auf das „neue“ (geplante) Mondkontrollzentrum der EU-Raumfahrtagentur ESA und anderes mehr.

Große Ziele: Der Bremer Bürgermeister Bovenschulte will sich als Gastgeber nicht lumpen lassen, da die anstehende Ministerratskonferenz der ESA dieses Jahr in Bremen tagt, „der City of Space“. Kretschmann findet die Raumfahrt laut dem Statement halt ganz gut. Den Kollegen Hendrik Wüst haben die drei vergessen: Bei ihm, in Köln, werden Europas Astronauten ausgebildet. Wahrscheinlich ein Versehen von dem Trio, das eine Erhöhung des Raumfahrtbudgets fordert und Stücke des Kuchens will.

Der Friedrich Merz macht das jetzt acht Jahre.

Der Bundeskanzler muss 2029 keinen Gegenkandidaten Markus Söder fürchten, sagte der dem Spiegel

Der Glaube an Zeitung lebt: Eine Abordnung der Protestgruppe „Neue Generation“ hat vorgestern Nacht das Axel-Springer-Druckhaus in Spandau dadurch blockiert, dass sie sich auf Dächer von Transportern klebte. Damit wollte sie die Auslieferung der Bild verhindern, eine ihr nicht angenehme Zeitung.

„Das Gute und Richtige wird immer siegen“, teilte ein Mann namens Eckart Pscheidl-Jeschke dazu mit, einer der Blockierer. Mit diesem Kampf, wenn man sich an der gedruckten Zeitung abarbeiten möchte, eilt es natürlich ein wenig, übrigens nicht bloß bei Springer. Wollte man versuchen, Netflix oder Amazon durch das Besetzen einer Videothek zu stoppen, es wäre zum Beispiel schon reichlich spät.

Fünf der sechs Zeitungskleber wurden von der Feuerwehr heruntergeholt, damit Rettungswege frei blieben. Ein weiterer Mann, der nicht im Weg herumstand, löste seine Verklebung um kurz vor vier Uhr morgens selbst, wie die Polizei mitteilte.

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