Markus Söder will Olympia. Hendrik Wüst auch. Dasselbe Ziel macht sie zu Konkurrenten. Als solche gesehen werden sie ohnehin: im Kampf um die Vorherrschaft in der Union in einer Zeit nach Friedrich Merz.
Zwei Männer, zwei Bewerbungen – und zwei politische Welten: In den Plänen für München und Rhein-Ruhr, die bis Samstag beim Deutschen Olympischen Sportbund zur ersten Prüfung eingereicht werden mussten, verdichten sich zwei Typen konservativer Politik.
Söder präsentierte München neulich als weltweit bekannten Austragungsort mit Strahlkraft, als ein Symbol für Modernität und Weltoffenheit, als Ausweis bayerischer Tatkraft – und eigener Führungsstärke: Olympia als nationale Aufgabe, für die besser Bayern und damit Markus Söder Verantwortung übernimmt. Es ging um Sichtbarkeit und Prestige: Ein Projekt dieser Größenordnung schreit schließlich nach Führung, am besten im Kanzlerformat.
Wüst zog vergangene Woche nach, mit der Idee für Spiele im Nordrhein-Westfalen-Format. Die Bewerbung ist nah am Gegenteil von Söders Solo: dezentral, mit mehreren Städten als Gastgeber, europäisch angebunden an die Benelux-Nachbarn, ein großes Fest, gefeiert „mit den Menschen im Land“, wie Wüst sagte.
Die Sportbegeisterung habe „schon heute Olympia-Niveau“, sagte er, die Sportstädten seien „zu 95 Prozent“ schon da, besagt das Konzept. Die Olympia-Bewerbung wie Wüst sie denkt, ist auch eine der praktischen Art. Eine, die zum Strukturwandel beiträgt – was Ehrgeiz und Selbstbewusstsein nicht schmälert: Zehn Millionen Tickets verspricht das Rhein-Ruhr-Konzept zu verkaufen.
Söder nutzt Olympia zur Selbstvergewisserung Bayerns als nationales Kraftzentrum und zur Demonstration politischer Potenz. Wüst sucht ein Werkzeug der Modernisierung – und weiß auch, wofür er andere braucht: Anders als Söder hatte er schon Austragungsorte der Segelwettbewerbe klargemacht, mit Kiel und Warnemünde.
Der Unterschied liegt nicht im Sport, sondern im Stil, auch der beiden politischen Protagonisten. Wüst führt ein großes Land, das seinen Bindestrich immer wieder neu zieht, das nicht mit einem starken Schlag regiert, sondern mit leiser Hand zusammengehalten wird. Und er steht an der Spitze einer Koalition, die – mit den Grünen als Partner – auch anders gemanagt werden will als Söders Bündnis mit Hubert Aiwangers Freien Wählern. Für Schmutzeleien ist Wüst nicht bekannt – aber einen öffentlichen und schmerzhaften Tritt ans Schienbein hat sich nicht zuletzt der Parteivorsitzende (per Gastbeitrag) auch schon einmal eingefangen.
Söder führt den Freistaat über bayerische Identität und Interessenvertretung, in Abgrenzung auch von Berlin; Merz wird das beizeiten gewiss auch erfahren. Sinn für die Schlagzeile und Lust am Risiko kommen bei ihm dazu – inklusive der Bereitschaft, sich bis an die Abrisskante der Seriosität vorzuwagen. Dahinter lockt dann pure Reichweite, wenn auch für den Döner-Söder. Vor allem aber definiert er sich über Kontrast und Unterschied.
Politik heißt bei ihm: Dominanz. Das gilt umso mehr unter Parteifreunden, wie sein Vorgänger Horst Seehofer oder EVP-Chef Manfred Weber seit Jahrzehnten erfahren – oder Armin Laschet. Und es gilt weit über den Zeitpunkt hinaus, an dem Söder seine Macht durchgesetzt hat. Söder selbst hat das Prinzip in einem Auftritt bei Markus Lanz im Juni vergangenen Jahres so beschrieben: „In der Politik werden keine Fouls geahndet. Da wird gefoult ohne Ende und man muss einfach weiterlaufen.“
Bei aller Gegensätzlichkeit – ganz fremd sind sich Wüst und Söder nicht. Beide tragen Verantwortung für ein großes Bundesland mit komplexer Gemengelage. Beide sind in ihren Parteien zentrale Figuren, die führen und nicht nur verwalten. Beide arbeiten hart, viel, mit großem Ehrgeiz und oft bis tief in die Nacht. Der eine laut, der andere leise. Beide im festen Willen, ihrer Rolle gerecht zu werden und beide mit Instinkt für die Macht: Das wird noch spannend, für die Union wie für Olympia. Florian Eder