Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben
Briefing

Platz der Republik,

Die AfD hat neuen Ärger

Guten Morgen. Die neue Bundesregierung will partout anders auftreten als die Ampel. So soll der Koalitionsausschuss jetzt regelmäßig stattfinden (und nicht mehr bis in die Puppen tagen). Mal sehen, wie lange sie das durchhält.

Wir schauen heute darauf, welche Lücken es im Sofortprogramm von Union und SPD noch gibt, auf einen Vorstoß des Kulturstaatsministers und auf den Umgang der AfD mit einem ihrer umstrittensten Politiker.

Herzlich willkommen am Platz der Republik.

1.

Am Tag nach dem Koalitionsausschuss ist es die Wirtschaftswissenschaftlerin Veronika Grimm, die die Leer- und Schwachstellen im Sofortprogramm der Bundesregierung ausgemacht hat. Auf vier Seiten und in 62 Unterpunkten haben die Spitzen von Union und SPD zusammengetragen, wie es zu einer „umfassenden Erneuerung unseres Landes“ kommen soll, die die Menschen bis zur Mitte des Jahres spüren sollen.

„Höchst fragwürdig“ seien Vorhaben wie die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie, die Agrardieselsubvention oder die Mütterrente, sagte Grimm den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das sind kostspielige Maßnahmen in einer Zeit, in der wir uns derartige Wahlgeschenke eigentlich nicht leisten können“, sagte Grimm. Sowohl die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie als auch die Wiedereinführung der Agrardieselsubvention sind für den 1. Januar des kommenden Jahres geplant. Dann soll auch die Pendlerpauschale erhöht werden.

Wieder verschoben: Um das drängende Thema der Sozialversicherungen geht es vor allem am Ende des Papiers. Da will die Koalition die Haltelinie beim Rentenniveau bis 2031 sicherstellen, die Mütterrente vollenden, die Aktivrente und die Frühstart-Rente einführen. Außerdem will sie das zweite Betriebsrentenstärkungsgesetz vorlegen.

Welche Kommission gebraucht wird: Laut Regierungsentwurf sind für dieses Jahr im Bundeshaushalt etwa 121 Milliarden Euro an Leistungen für die Rentenversicherung vorgesehen, bei Gesamtausgaben im Haushalt von gut 489 Milliarden Euro. Um die Zukunft der Rentenversicherung soll sich laut Koalitionsvertrag eine Expertenkommission kümmern. Von deren Einsetzung schreiben die Koalitionäre aber nichts in ihrem Papier. Grimm bemängelt das. Deutlich wichtiger als eine Kommission zur Reform der Schuldenbremse wäre eine Kommission zur Reform von Renten- und Pflegeversicherung, sagte sie. In Sachen Pflegereform hat Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) allerdings schon angekündigt, dass noch in diesem Jahr eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einen Vorschlag erarbeiten soll.

2.

Kultur- und Medienstaatsminister Wolfram Weimer plant eine Digitalabgabe, die große Internetkonzerne wie Google und Meta treffen würde. Eine Gesetzesvorlage werde vorbereitet, sagte Weimer in einem Interview mit dem Stern. Einen möglichen Ansatz sieht Weimer in der Besteuerung von Onlinewerbeleistungen. Alternativ wird auch eine Selbstverpflichtung ins Spiel gebracht. „Es geht nicht nur um Google-Ads. Es geht generell um Plattform-Betreiber mit Milliardenumsätzen. Wir halten einen Abgabesatz von 10 Prozent für moderat und legitim“, sagte Weimer. Laurenz Gehrke von unserem Dossier Digitalwende berichtet.

Vorbild Österreich: Dort seien große Online-Plattformen seit 2020 verpflichtet, fünf Prozent der Einkünfte aus der Werbevermarktung abzuführen. Ein solcher „Plattform-Soli“, wie Weimer ihn nannte, könne etwa für Plattformen gelten, die Medieninhalte nutzen. Damit seien nicht nur journalistische Produkte gemeint, sondern auch kulturelle, sagte der Minister. Details zu den Plänen, etwa zur Höhe der möglichen Einnahmen und Verwendung des Geldes, nannte er nicht.

Steuervermeidung bekämpfen: Die großen Plattformen „betreiben geschickte Steuervermeidung“, bemängelte Weimer. „Das ist unsolidarisch und führt seit Jahren zu schweren Konflikten mit den nationalen und europäischen Behörden.“ Der Auftrag zur Einführung einer Abgabe für Plattformen, die Medieninhalt nutzen, sei im Koalitionsvertrag sehr deutlich. „Da dieser Abschnitt für meinen Zuständigkeitsbereich formuliert ist, kümmere ich mich darum.“

Öl ins transatlantische Feuer: Der Vorstoß wird in den USA, wo die meisten Tech-Riesen beheimatet sind, auf wenig Wohlwollen stoßen. Die US-Regierung hat sich mehrfach gegen vergleichbare Pläne anderer Gesetzgeber auf der Welt gewandt und sich etwa in Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich bitter über dessen Digitalsteuer beklagt.

3.

Wer gestern in Deutschland aufgewacht ist, sah womöglich morgens die Meldung auf seinem Smartphone, dass ein US-Gericht Donald Trumps Zölle fast alle für rechtswidrig erklärt hatte. Gestern Abend dann konnte der US-Präsident einen Punktsieg verzeichnen: Ein Berufungsgericht hob die Blockade vorerst wieder auf. Das Gericht prüfe nun erst einmal den Fall, hieß es in einer Verfügung. Die Parteien seien aufgefordert, weitere Stellungnahmen einzureichen.

Was war passiert? Eine Kammer am US-Gericht für internationalen Handel in New York hatte geurteilt, dass der Präsident sich bei den meisten Zöllen, die seine Regierung erlassen hatte, nicht auf ein Notstandsgesetz berufen konnte. Es verfügte deren Aussetzung binnen zehn Tagen.

Die Reaktion folgte prompt: Das Weiße Haus hatte auf das erste Urteil mit scharfer Kritik reagiert, berichtet die dpa. Trumps Sprecherin Karoline Leavitt sagte, die Richter des Handelsgerichts hätten „schamlos ihre richterliche Macht missbraucht, um die Entscheidungsgewalt von Präsident Trump an sich zu reißen“. Trumps Administration ging umgehend gegen die Entscheidung des Handelsgerichts vor und hatte Erfolg.

Wie geht es weiter? Die Anordnung des Berufungsgerichts ist ein Erfolg für den US-Präsidenten. Sie ist aber womöglich nicht das letzte Wort in der Sache. Der Fall könnte vor dem US-Supreme Court landen.

Die AfD hat erneut Ärger. Im Mittelpunkt steht einer ihrer umstrittensten Politiker, der Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich. Einige aus den Reihen der Partei erhöhen nun den Druck auf ihn. Anlass ist ein Bericht des Spiegels, der Dokumente aus den Jahren von 2014 bis 2016 – aus Helferichs Zeit bei der Bonner Burschenschaft Frankonia, auswerten konnte. Sie geben möglicherweise Aufschluss darüber, wie rechtsextrem Helferich ist. Und stellen die Parteiführung erneut vor die Frage, was sie zulassen will und was sie überhaupt im Stande ist zu tun.

Den Aufschlag machte Helferichs Landesverband Nordrhein-Westfalen. Der dortige Landesvorstand hat sich mit dem Bericht des Spiegels befasst und Helferich am Montag ein Schreiben geschickt. Es liegt SZ Dossier vor. Zuerst hatte die Welt darüber berichtet.

In dem Schreiben fordert der Landesvorstand Helferich auf, den Spiegel wegen des Berichts abzumahnen und „eine strafbewehrte Unterlassungserklärung in Verbindung mit einer Richtigstellung der Angelegenheit an prominenter Stelle des Portals einzufordern und ggf. in der Sache eine gerichtliche Klärung herbeizuführen (einstweilige Verfügung)“. Für die Abmahnung setzt der Landesvorstand Helferich eine Frist bis zum kommenden Montag, für den Antrag auf einstweilige Verfügung („bei Ausbleiben der Unterlassungserklärung“) hat Helferich demnach bis zum 10. Juni Zeit.

Worum es geht: Unter anderem soll Helferich, so berichtet der Spiegel, in einer Mail einem „Bundesbruder“ – so redet man unter Burschenschaftern – ein Buch empfohlen haben, „welches schon Goebbels anleitete“. In einer anderen dies: „Du hast noch meine gesamte Rassenkunde-Literatur, du jüdischer Langfinger.“ Die Mail habe mit „Heilchen“ begonnen und sei mit „Matthias“ unterzeichnet gewesen. Auch Gewaltfantasien finden sich in dem Konvolut. Etwa diese: „Advent, Advent, ein Asylantenheim brennt. Erst eins, dann zwei, dann drei, dann vier, dann steht der Helferich vor der Reichstagstür. Und wenn das Fünfte brennt, hast du die Revolution verpennt!“

Dem Spiegel teilte Helferich mit, die Mailauszüge seien ihm nicht bekannt, er habe sie nicht verfasst oder versendet. Der Mailaccount eines „Bundesbruders“ sei gehackt worden und er schließe nicht aus, dass die, die das getan haben, „auch Mailkorrespondenzen manipuliert haben“.

Sollte sich Helferich gegen den Bericht nicht juristisch zur Wehr setzen, gehe der Landesvorstand NRW davon aus, dass er erwarte, die Journalisten könnten ihren Text mit „als echt verifizierbaren Dokumenten unterfüttern“, heißt es in dem Schreiben des Landesvorstandes. In diesem Fall werde der Landesvorstand die Unterlagen dem Parteiausschlussverfahren gegen Helferich hinzufügen.

Momentan sieht es aber nicht so aus, als wollte Helferich tun, was von ihm erwartet wird. Er sei weder rechtlich noch moralisch verpflichtet, ein Verfahren gegen den Spiegel anzustrengen, sagte er der Welt.

In NRW geht man derweil aufgrund der „erdrückenden Beweislage“ davon aus, dass das Schiedsgericht Helferich aus der Partei ausschließen werde, sagte ein Sprecher des Landesverbandes.

Dass Helferich selbst in der AfD besonders weit rechts steht, ist bekannt. In der vergangenen Wahlperiode war er nicht Teil der Bundestagsfraktion seiner Partei. Dieses Mal sah die Fraktion allerdings keine Probleme, ihn aufzunehmen, auch nicht damit, dass er im Ausschuss für Kultur und Medien sitzt.

In der AfD wächst der Unmut über Helferich aber auch, weil die jüngsten Veröffentlichungen im Ausland registriert worden seien. Der stellvertretende Bundessprecher der AfD, Kay Gottschalk, berichtet von einem Spanien-Besuch in der vergangenen Woche. Dort sei sein Treffen mit einem Abgeordneten von Vox am Samstagvormittag mit Verweis auf den Bericht über Helferich kurzfristig abgesagt worden.

Am Montag beschäftigte sich auch der Bundesvorstand der AfD mit dem Fall. In einer Sprachregelung dazu heißt es: „Der Bundesvorstand der AfD unterstützt uneingeschränkt das Vorgehen des Landesvorstandes Nordrhein-Westfalen.“ Und weiter: „Sollte sich infolge der Sachverhaltsklärung ergeben, dass der Landesvorstand die Notwendigkeit einer Parteiordnungsmaßnahme gegen Herrn Helferich sieht, würde der Bundesvorstand sich erneut damit befassen.“

Gefragt danach, wie Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel die Causa Helferich bewertet und ob man ihn gegebenenfalls wieder aus der Fraktion ausschließen müsse, gab sich ihr Sprecher Daniel Tapp zurückhaltend. Helferich bestreite ja, der Verfasser zu sein, sagte Tapp. „Das wird man sich alles noch genauer ansehen müssen.“

Helferichs Geschichte in der Partei zeigt, dass es ihm immer wieder gelungen ist, Unterstützer für sich zu mobilisieren. So setzte ihn etwa der Landesverband NRW, dessen Vorstand ihn eigentlich ausschließen will, auf Platz sechs der Landesliste für die Bundestagswahl und garantierte ihm damit den Einzug in den Bundestag.

Der Fall Helferich ist auch eine Machtprobe in der AfD. Daniel Haseloff, mittlerweile Generalsekretär in Björn Höckes Landesverband Thüringen, postete im vergangenen Jahr ein Bild auf X, das ihn mit Helferich zeigt und schrieb dazu, Helferich sei „Hoffnungsfigur auf schwierigem West-Gebiet“. Dass er ausgeschlossen werden soll, sei „Zersetzung von innen“.

von Tim Frehler

4.

Klage ist raus: Ärger hat die AfD auch wegen ihrer Bundesgeschäftsstelle in Berlin-Reinickendorf. Der Vermieter will die Partei vor die Tür setzen. Die strebt nun eine Mediation an. Das sagte der stellvertretende Bundessprecher Kay Gottschalk dem Tagesspiegel. Das Landgericht Berlin hatte am Mittwoch mitgeteilt, dass die Eigentümerfirma des Gebäudes Räumungsklage eingereicht habe. Demnach trägt sie vor, die Mietverträge mit der AfD „fristlos und hilfsweise fristgerecht gekündigt“ zu haben. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin wurde der AfD die Klage am 20. Mai zugestellt, berichtet die dpa. Die Partei habe nun bis etwa Ende Juni Zeit für eine Stellungnahme, könne aber auch eine Fristverlängerung beantragen.

Auslöser des Streits ist die Wahlparty der AfD nach der Bundestagswahl. Damals nutzte die Partei den Innenhof des Gebäudes unter anderem, um dort zu grillen. Außerdem projizierte sie ihr Logo an die Fassade des Gebäudes. Der Vermieter wirft der AfD auch vor, andere Mieter hätten das Gebäude an dem Tag stundenlang nicht betreten können, weil der Zugang von der Polizei gesperrt wurde. Die AfD habe weder die Hoffläche noch die Außenfassade gemietet, auch eine Erlaubnis habe sie nicht eingeholt, heißt es in der Klage. Ein erster Einigungsversuch war gescheitert.

5.

Die Mietpreisbremse wird verlängert: Die Bundesregierung hat ein Gesetz zur Verlängerung der Mietpreisbremse beschlossen, sie soll nun bis 2029 gelten, berichtet Robert Roßmann in der SZ. Ohne eine neue Regelung wäre sie Ende des Jahres ausgelaufen.

Kritik folgte prompt: Der Immobilienverband Deutschland kritisiert, derartige Regulierungen schreckten Bauherren und Kapitalanleger ab. Dem Mieterbund geht die Neuregelung hingegen nicht weit genug. Justizministerin Stefanie Hubig (SPD) plädiert für weitere Verschärfungen, die Verlängerung der Mietpreisbremse sei nur ein erster Schritt.

Henry Kissinger würde heute ganz sicher nicht mehr sagen müssen, dass er nicht weiß, wen er anrufen soll, um mit Europa zu sprechen. Er würde Ursula von der Leyen anrufen.

Bundeskanzler Friedrich Merz bei der Karlspreis-Verleihung an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Aachen

Für den FC Bundestag wird es ernst. Bei der 52. Parlamentarier-EM stehen heute die ersten Spiele an. Um 11:30 Uhr geht es im finnischen Vaasa gegen die Schweiz, um 14 Uhr gegen Finnland.

Vor allem vor den Finnen ist der Respekt in der deutschen Mannschaft offenbar groß. Die seien „wohl sehr stark“, sagte der Grünen-Politiker Julian Joswig. Sorge bereitet den deutschen Spielern vor allem Timo Furuholm. Der 37-jährige Stürmer spielte einst für Fortuna Düsseldorf, lief neunmal in der 2. Bundesliga auf und sitzt jetzt für das Linksbündnis im finnischen Parlament.

Gegen die deutschsprachigen Nachbarn (am Samstag steht noch das Spiel gegen Österreich an) will der FC Bundestag aber gewinnen, sagte Joswig. Da gehe es schließlich um die „Fußball-Ehre“.

Feedback

Wir freuen uns über Ihre Meinung zum Süddeutsche Zeitung Dossier.