Die 20. Legislaturperiode ist offiziell zu Ende. Und damit ist für etliche Politikerinnen und Politiker auch ihre Zeit im Bundestag vorbei. Entweder weil sie aus freien Stücken aufgehört haben oder weil sie selbst oder gar die ganze Partei nicht wiedergewählt worden sind. Doch während die Abgeordneten mit dem Übergangsgeld erst einmal verhältnismäßig gut versorgt sind, sieht es bei ihren ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern anders aus. Für sie steht jetzt die Suche nach einem neuen Job an – und bis dahin bisweilen Arbeitslosengeld.
Die Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt sind gleichwohl anders, härter als zuletzt: Das liegt einerseits an der Reform des Wahlrechts: im 21. Deutschen Bundestag sitzen mehr als 100 Abgeordnete weniger als im 20. Das liegt aber auch an der Zusammensetzung des neuen Bundestages: Vor allem für Bewerberinnen und Bewerber aus dem sozialdemokratischen oder grünen Spektrum ist der Kreis potenzieller Arbeitgeber kleiner geworden, schließlich ist die AfD-Fraktion nahezu doppelt so groß wie in der vergangenen Legislaturperiode. Und ein Wechsel innerhalb der eigenen Fraktion gestaltet sich ebenfalls schwierig, wenn – wie im Fall der SPD – deutlich weniger Büros zur Verfügung stehen als zuvor.
Eine Abgeordnete, die nicht mehr dabei ist, ist zum Beispiel Ye-One Rhie (SPD) aus Aachen. Einige ihrer ehemaligen Mitarbeiter hätten zwar bereits neue Jobs, „aber gerade in Berlin ist es schwieriger, etwas zu finden, als mein Team und ich gedacht haben“, sagt Rhie. Daher seien einige noch auf der Suche. Natürlich habe sie ihre Kolleginnen und Kollegen gefragt, ob sie noch Platz in ihrem Team hätten. Das sei aber nicht sonderlich erfolgreich gewesen, weil schlicht die Kapazitäten fehlten.
In Absprache mit ihren ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern habe sie sich auch bei Verbänden umgehört, habe angefragt, ob jemand seinen Lebenslauf schicken könne. „Aber viel mehr als die Augen offenhalten, kann man nicht machen“, sagt Rhie.
Das sei eigentlich das Schlimmste am verpassten Wiedereinzug in den Bundestag gewesen, erzählt sie. „Ich weiß ja, dass diese Menschen von mir abhängig sind und davon, wie ich abschneide.“ Dass ihre Leute ihren Job verloren hätten, obwohl sie ja gute Arbeit geleistet hätten, sei „bedrückend“, sagt Rhie. „Da habe ich schon ein schlechtes Gewissen.“
Dramatischer ist die Lage bei der FDP. Die ist schließlich gar nicht mehr im Bundestag vertreten. Eine frühere Büroleiterin eines FDP-Abgeordneten sagt, sie erhalte zurzeit Arbeitslosengeld 1 und sei gerade dabei, sich weiterzubilden. Sie habe zwar Angebote von Unternehmen erhalten, sagt sie, die hätten ihr aber nicht zugesagt. Und in dem Bereich, in dem sie gerne arbeiten würde, seien ihre Bewerbungen bislang abgelehnt worden. Die Konkurrenz zurzeit sei eben groß. „Da sind jetzt viele Leute zur gleichen Zeit und mit einem sehr ähnlichen Profil in Berlin auf dem Arbeitsmarkt.“
Was ihre finanzielle Situation angeht, sei sie aber relativ entspannt, erzählt die frühere FDP-Büroleiterin, sie müsse ihre Miete nicht allein bezahlen, sondern könne sie sich mit anderen teilen. In ihrem Umfeld gebe es aber auch ehemalige Mitarbeiter, „die die Hände über dem Kopf zusammenschlagen“, weil sie jetzt arbeitslos seien.
Einer weiteren ehemaligen Mitarbeiterin eines FDP-Abgeordneten geht es ähnlich. Auch sie bekommt jetzt ALG 1 und nutzt die Zeit, um sich umzuorientieren. Seitens des Bundestages habe es Veranstaltungen von der Agentur für Arbeit gegeben. „Die haben erklärt, welche Anträge bis wann wie gestellt werden müssen und wer die Ansprechpartner sind“, erzählt sie. Auch die Abgeordneten der FDP seien in vielen Fällen bemüht gewesen, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterzuvermitteln. „Je nachdem, wie groß das Netzwerk des Abgeordneten natürlich war“, fügt sie hinzu.
Avancen gab es aber auch von der politischen Konkurrenz, erzählt sie. Die Union habe etwa eine E-Mail für Initiativbewerbungen eingerichtet. Dort hätten Leute von der FDP, die gerne zur Union wechseln würden, „ganz unverbindlich“ ihren Lebenslauf hinschicken können. Sie wisse zudem von „ein, zwei Fällen“, bei denen Sachbearbeiter auch zu AfD-Abgeordneten gewechselt seien.
Wie schwierig die Jobsuche letztendlich sei, hänge von verschiedenen Faktoren ab. Für „Parteisoldaten“ etwa sei es ungleich schwerer. Die hätten ihr Netzwerk vorrangig innerhalb der Partei. Wer noch nicht lang genug gearbeitet habe, bekomme vielleicht kein Arbeitslosengeld. Und: Wer eine Familie versorgen müsse, blicke ebenfalls anders auf die Situation.
Aber: „Ich glaube, für viele ist der Bundestag immer noch ein Einstiegsjob“, sagt die ehemalige Mitarbeiterin. Viele kämen von der Uni an einen der Jobs im Parlament und seien sehr jung. Die wechselten danach „eigentlich immer in die Wirtschaft oder in die Verbändelandschaft“.
Auch sie denkt über diesen Schritt nach, obwohl sie gerne wieder im Bundestag arbeiten würde. Darin sieht sie aber kein Hindernis: „Ich glaube, für mich wäre das jetzt kein Nachteil, dass ich vielleicht jetzt drei bis vier Jahre in einem Verband bin und danach wieder in den Bundestag gehe.“ Tim Frehler, Gabriel Rinaldi