Klar, es ist Markus Söder. Aber drastischer hätte man es nicht ausdrücken können. Mit Blick auf die Verantwortung der nächsten Bundesregierung sagte der CSU-Chef kurz nach der Wahl. „Dies ist tatsächlich die letzte Patrone der Demokratie.“ Nun ist die Regierung zwar noch nicht im Amt, aber so manch einer befürchtet schon, der Schuss könnte daneben gehen.
Was auf dem Spiel steht: Am Dienstag hat eine Forsa-Umfrage den Verhandlerinnen und Verhandlern der Union den Ernst der Lage vor Augen geführt: Die Demoskopen sahen CDU und CSU bei 25, die AfD bei 24 Prozent. Die nächste Bundestagswahl, die Söder mit seinem Ausspruch im Blick hat, ist zwar noch weit, weit entfernt. Näher sind da schon die Landtagswahlen im kommenden Jahr, unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Martin Reichardt, Landesvorsitzender der AfD in Sachsen-Anhalt, hat das Ziel seiner Partei bereits formuliert: Alle Direktmandate gewinnen, 45 Prozent holen und den Ministerpräsidenten stellen. Das sagte er in der Eröffnungsrede des Landesparteitags Anfang März.
Die Herausforderung: Bei der Bundestagswahl holte die AfD in Sachsen-Anhalt 37,1 Prozent der Zweitstimmen und 38,8 Prozent der Erststimmen. Und momentan findet sie bei ihrem selbst ernannten Hauptgegner, der Union, besonders viel Angriffsfläche vor. Innerhalb der Partei sieht man die Sache so: Die hohen Summen aus dem Finanzpaket machten den „Leuten regelrecht Angst“, sagte Schatzmeister Carsten Hütter.
Leichtes Spiel: Angst ist ein Gefühl, das die AfD gerne bewirtschaftet. Hinzu kommt: Durch Merz‘ Kurswechsel in Sachen Schuldenbremse und Sondervermögen kann die Partei weiter daran arbeiten, die Union zu delegitimieren, indem sie ihr Wortbruch vorwirft. So sagte Alice Weidel in der Bundestagsdebatte über die Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse zum Beispiel: Wer CDU wähle, bekomme „links-grüne Politik präsentiert“. Die in Teilen rechtsextreme Partei muss also selbst gar nicht viel tun – und befindet sich trotzdem in einer komfortablen Situation. Er rechne damit, sagte Hütter, dass sich nun ehemalige Mitglieder der CDU bei der AfD meldeten.
Dilemma: Wie misslich die Lage für die Union (und die SPD) ist, zeigt sich, wenn man die Sache einmal umdreht. Denn was ist die Alternative? Verbunden mit der teilweisen Aussetzung der Schuldenbremse und dem Sondervermögen ist ja die Hoffnung, die Wirtschaft anzukurbeln, die Infrastruktur zu modernisieren und so den Untergangspropheten den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Es fehlt ein Ausweg: Außerdem kann die Union die SPD in den Verhandlungen nur bedingt unter Druck setzen. Ihr fehlen schlicht die Optionen. Vor allem aber das Schuldenpaket löste an der Basis Unmut aus: In Kühlungsborn verließ ein Drittel des Stadtverbands die CDU. Wegen der Grundgesetzänderungen sei die politische DNA der Partei in Gefahr, hieß es dort. In Gesprächen mit CDU-Mitgliedern aus ostdeutschen Landesverbänden reicht die Beschreibung der Stimmungslage von „angespannt“ bis „schwierig“. Die Posteingänge von Landtagsabgeordneten seien voll, insbesondere die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer enttäuscht.
Ärger über Kommunikation: Einen Grund für die Unzufriedenheit sieht so mancher auch in den Medienberichten über die Papiere der Arbeitsgruppen und in den Leaks. Schließlich seien die Koalitionsverhandlungen noch nicht beendet, man bewerte aber bereits die Zwischenergebnisse. „Die Unkenrufe schon vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen bringen niemanden weiter, am wenigsten das Land“, sagte Gitta Connemann dem Handelsblatt. Die Kommunikation im und nach dem Wahlkampf sei nicht ideal gewesen, da sie schnelle Lösungen suggeriert habe, heißt es in ostdeutschen Landesverbänden. Trotzdem gehe es jetzt darum, erst einmal das Ergebnis der Verhandlungen abzuwarten. Die Erwartungen, gerade was die Migrations- und Sparpolitik angeht, sind hoch.