Die Verhandler der Arbeitsgruppe 10 haben sich ein hehres Ziel gegeben: „Der funktionierende Staat fängt auf kommunaler Ebene an“, steht über dem Ergebnispapier der AG Kommunen, Sport und Ehrenamt. Angesichts undichter Dächer in Schulen und Turnhallen, einstürzender Brücken und maroder Straßen entstand zuletzt ja der Eindruck, dass eben dieser Staat nicht mehr richtig funktioniert.
Die Unterhändler scheinen das Problem also erkannt zu haben. Doch ist das, was sie aufgeschrieben haben auch geeignet, es zu lösen?
Dabei geht es einerseits um die Frage der Finanzen. Erst gestern veröffentlichte das Statistische Bundesamt neue Zahlen zur Verschuldung der öffentlichen Haushalte. Ergebnis: Zwischen Ende 2023 und Ende 2024 stieg die Verschuldung des Bundes um 2,1 Prozent, die der Länder ebenfalls um 2,1 Prozent – und die der Kommunen um 9,5 Prozent.
In ganz Deutschland stünden Städte, Gemeinden und Landkreise inzwischen „mit dem Rücken zur Wand“, sagt Achim Brötel, Präsident des Deutschen Landkreistages SZ Dossier. „Wenn sich deshalb an unserer Grundfinanzierung nicht schnell etwas ändert, drohen uns Strukturen wegzubrechen“, sagt Brötel.
In ihrem Papier haben die Unterhändler notiert, sich an der „Veranlassungskonnexität“, zu orientieren, also am Grundsatz, wer bestellt, bezahlt. Bürgermeister und Landräte kritisieren immer wieder, dass Bund und Länder von ihnen Aufgaben verlangen, die sie aber nicht in vollem Umfang bezahlen. Auch haben die Verhandler festgehalten, die Kommunalfinanzen systematisch und jenseits von Förderprogrammen zu verbessern. Von einer „Verstetigung und Verlässlichkeit der kommunalen Einnahmen“ ist die Rede, von mehr „Autonomie und Gestaltungsmöglichkeiten“. Die „Ausgabendynamik“ soll durchbrochen, die Kommunen entlastet werden.
Das Papier sei ein „echter Hoffnungsschimmer in ansonsten eher trüben Zeiten“, sagt Brötel, es atme „einen kommunalen Geist“. Den Worten müssten nun aber konkrete Taten folgen. Julia Samtleben, Bürgermeisterin in Stockelsdorf in Schleswig-Holstein und stellvertretende Vorsitzende des Netzwerks Junge Bürgermeister, wird deutlicher: Das Konnexitätsprinzip in ein Papier zu schreiben sei so sinnvoll wie die Aussage, sich ans Grundgesetz zu halten. „Das ist keine politische Leistung, sondern eine Selbstverständlichkeit.“ Die kommunalen Probleme seien bekannt, was fehle sei die Umsetzung, sagt Samtleben SZ Dossier.
Vor allem im Bereich Finanzen bleibt vieles im Ungefähren. Wie sollen Einnahmen verbessert werden? Und bis wann? Dabei gäbe es ja konkrete Ideen. Der Landkreistag schlägt unter anderem vor, den kommunalen Anteil an der Umsatzsteuer zu verdreifachen.
Auch die Unterhändler aus der AG Finanzen bleiben vage. Zwischen Bund, Ländern und Kommunen sollen Aufgaben und Finanzen fair verteilt sein, schreiben sie. Der Satz: „Wir wollen die Finanzkraft der Kommunen stärken“, steht im roten Farbton der SPD-Verhandler in dem Papier, ist also nicht Konsens.
Uneinig sind sich Union und SPD auch bei der Altschuldenfrage. Die SPD will, dass sich der Bund an einer Lösung beteiligt. Das Bundeskabinett hat im Januar einen entsprechenden Gesetzentwurf des Finanzministeriums beschlossen. Den sehen die Sozialdemokraten als Grundlage, um das Grundgesetz zu ändern, sodass der Bund sich einmalig daran beteiligen kann, hoch verschuldete Kommunen zu entschulden. Die Union sieht den Entwurf hingegen als ungeeignet an, um das Problem zu lösen.
Neben dem Geld geht es den Kommunen auch darum, dass die Arbeit in den Amtsstuben einfacher wird. Hier kündigen die Verhandler der AG Kommunales an, Bürokratie abzubauen. Es soll zum Beispiel einfacher werden, Fördermittel zu beantragen und umzusetzen.
Zuständig für Staatsmodernisierung und Bürokratieabbau ist aber die Arbeitsgruppe 9. Die verständigte sich darauf, „eine ambitionierte Modernisierungsagenda“ für Staat und Verwaltung zu erarbeiten, um den Staat „vom Bürger her“ zu denken. Dazu listet sie eine ganze Reihe von Ideen auf – von „Digital-only“ in der Verwaltung über Praxischecks in der Frühphase der Gesetzgebung bis zur Neuordnung der föderalen Beziehungen. Auch sollen zum Beispiel mindestens 20 Prozent der Verwaltungsvorschriften des Bundes abgeschafft werden, um den Verwaltungen wieder mehr Spielräume zu geben.
So richtig überzeugt ist man in der Praxis aber noch nicht. Finn Thomsen, Bürgermeister im hessischen Großalmerode, sagt, zahlreiche, teils sinnvolle Maßnahmen und ambitionierte Zielvorgaben zum Bürokratieabbau würden zwar benannt. „Eine systematische Strategie zu deren Umsetzung ist jedoch nicht erkennbar.“
Landrat Achim Brötel stößt sich an viel Grundsätzlicherem: Es spreche Bände, dass die Arbeitsgruppe es für nötig halte, den Grundsatz auszurufen, den Staat vom Bürger her zu denken. „Was denn eigentlich sonst?“, sagt Brötel. Für Kommunalpolitiker sei das selbstverständlich, weswegen sie den ganzen Reformprozess über eingebunden sein sollten.
Gelegenheit zum Mitmischen wird es noch häufig geben. Ein Arbeitsgruppenpapier ist schließlich noch nicht das Bundesgesetzblatt. Tim Frehler