Robert Habeck ist seinem Jäger zuvorgekommen. Noch bevor der österreichische Plagiatssucher Stefan Weber seine Vorwürfe publik machte, ging Habeck selbst an die Öffentlichkeit. Der Kanzlerkandidat der Grünen veröffentlichte gestern ein mehr als drei Minuten langes Video. Darin sagte Habeck, er wisse, dass sich Weber seit Jahren mit seiner Doktorarbeit beschäftige. Im Januar seien spezifische Vorwürfe an ihn herangetragen worden. „Ich rechne damit, dass Herr Weber sie heute veröffentlichen wird.“
Das tat der Plagiatsjäger auch. 188 Seiten lang ist Webers Gutachten. Der Hauptvorwurf: Habeck habe Texte von Autoren wie Hölderlin oder Kant „wie Primärquellen zitiert, aber diese offensichtlich nie als Originalquellen konsultiert“, heißt es in dem Gutachten. Er habe sie also „nie gelesen“, zitiere die Quellen stattdessen aus Sekundärliteratur, ohne diese kenntlich zu machen. In Bezug auf sein wissenschaftliches Arbeiten wirft Weber Habeck daher ein „Quellenplagiat“ vor. Originaltitel via Sekundärliteratur zu zitieren sei allenfalls in Ordnung, wenn die Originalquelle nicht auf zumutbarem Weg zu beschaffen sei und müsse mit dem Verweis „zitiert nach“ kenntlich gemacht werden, schreibt Weber.
Das Ergebnis: Gleich nachdem ihm der Sachverhalt bekannt geworden sei, sagte Habeck, habe er die Ombudsstelle der Universität Hamburg gebeten, die konkreten Vorwürfe in seiner 2001 veröffentlichten Doktorarbeit zu prüfen. Die Uni teilte gestern mit, Habeck habe sich im Januar 2025 bei ihr gemeldet und um die Prüfung gebeten. Ein wissenschaftliches Fehlverhalten liege nicht vor, so das Ergebnis, „da weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gegen die Standards der guten wissenschaftlichen Praxis verstoßen wurde“. Zusätzlich zum Ergebnis der Prüfung seien Habeck Empfehlungen geschickt worden, um einzelne Zitate und Fußnoten zu überarbeiten. Grundlage dafür seien heutige Regeln „guter wissenschaftlicher Praxis“, die in dieser Art noch nicht formalisiert gewesen seien, als Habeck seine Doktorarbeit geschrieben habe.
Weitere Prüfung: Kurz nach Abschluss der Prüfung habe er noch von weiteren Fußnoten erfahren, die Weber bemängele, sagte Habeck. Auch Tippfehler habe Weber „penibel aufgelistet“. Habeck habe auch bezüglich dieser weiteren Stellen die Uni Hamburg um Prüfung gebeten, sagte er. Die Universität bestätigte, dass aktuell noch weitere Begutachtungen anstehen.
Der Plagiatsjäger: Vor der Bundestagswahl 2021 hatte Weber Vorwürfe gegen Annalena Baerbock und ihr Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ erhoben. Auch Baerbock war damals Kanzlerkandidatin der Grünen. Vor etwa einem Jahr warf Weber Alexandra Föderl-Schmid, damals stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, Plagiate in journalistischen Arbeiten sowie ihrer Doktorarbeit vor. Allerdings konnte die Universität Salzburg „kein relevantes wissenschaftliches Fehlverhalten“ feststellen. Eine unabhängige Expertenkommission fand keine Ergebnisse darauf, „dass Föderl-Schmid methodisch die journalistische Leistung von anderen in einer Weise kopiert hätte, ohne die ihre eigenen Texte keine Gültigkeit gehabt hätten“. Sie habe es an Transparenz fehlen lassen, habe aber nicht versucht, „Übernahmen von Passagen aus anderen Publikationen zu verschleiern“. Noch mehr zu Habecks Fall lesen Sie hier vom SZ-Kollegen Roland Preuß.