90 Minuten lang beantworteten Kanzler Olaf Scholz (SPD) und Herausforderer Friedrich Merz (CDU) gestern Abend die Fragen von Sandra Maischberger und Maybrit Illner. Es ging um Migration, Wirtschaft, Außenpolitik und die Bundeswehr. Die wichtigsten Momente und Beobachtungen.
Der Zettel: Zu Beginn ging es um die gemeinsame Abstimmung der Union mit der AfD im Bundestag. Und darum, dass Friedrich Merz im November angekündigt hatte, mit der in Teilen rechtsextremen Partei keine Mehrheiten herbeizuführen. Die Glaubwürdigkeit des CDU-Chefs stand also im Mittelpunkt. Doch Merz war vorbereitet, holte einen Zettel aus seiner Jackentasche und las ein Scholz' Zitat aus einem Interview vor, das der Kanzler 2023 der Thüringer Allgemeinen gegeben hatte. Darin fiel der Satz: „Niemand sollte sich davon abhängig machen, wie die AfD abstimmt.“ Scholz war in der Defensive, widersprach und nannte es „honorig“, dass Merz das Zitat vollständig vorgelesen hatte. Ihm sei es bei der Aussage um die kommunale Ebene gegangen.
Angriff Scholz: Danach geht es um Zurückweisungen an der Grenze, Merz und die Union fordern das vehement, Scholz sieht darin einen Verstoß gegen europäisches Recht. Und gerade jetzt sei Deutschland ja vor dem Hintergrund drohender US-amerikanischer Zölle auf ganz Europa angewiesen. Also sagte Scholz: Was Merz vorschlage, sei gegen deutsche Interessen. „Warum soll man so doof sein?!“
Der Konter: Merz verzog das Gesicht, er hatte aber einen Kronzeugen in der Hinterhand, einen, der ausgerechnet SPD-Mitglied ist. Der Historiker Heinrich-August Winkler bezeichnete das individuelle Grundrecht auf Asyl am Wochenende in einem Gastbeitrag für den Spiegel als Geschichtslegende, es widerspreche den Absichten der Verschaffungsschöpfer. Ein einflussreicher SPD-Historiker stützt im Grunde Merz' Argumentation. Der CDU-Chef wusste, es zu nutzen. Sicher verwandelt von Merz.
Scholz betont die Unterschiede: Nach der Migrationspolitik ging es um Wirtschaft und um den Spitzensteuersatz. Hier versuchte Scholz, den Unterschied zwischen ihm und seinem Herausforderer deutlich zu machen – indem er die SPD-Wahlkampfstrategie vom Blackrock-Kanzler-Merz herausholte. In Richtung seines Gegners sagte Scholz: „Ich finde nur, wer drei Millionen verdient, kann ein bisschen mehr Steuern bezahlen. Und das finden Sie nicht. Und das ist der Unterschied zwischen uns beiden.“
Merz in Bedrängnis: Bei der Frage, wie er die zusätzlichen Ausgaben für die Bundeswehr finanzieren will, blieb Merz vage. Er setze auf eine stark wachsende Wirtschaft, außerdem müsse man Prioritäten setzen, sagte Merz. Er will etwa an den Subventionsabbau ran, will prüfen, wie viele Beschäftige im öffentlichen Dienst tätig seien. Scholz nannte diese Vorschläge „lächerlich“. Mit den Vorschlägen des CDU-Chefs seien die Mehrausgaben für Sicherheit nicht zu bezahlen. Merz wollte da gerade sein Glas zum Trinken ansetzen, stellte es aber wieder ab.
Die Haltungsnoten: Das Erste, was auffiel, war der Größenunterschied. Friedrich Merz mit seinen fast zwei Metern Länge überragte Scholz deutlich. Im geteilten Bildschirm war der Unterschied zwar nicht zu sehen, in anderen Einstellungen allerdings schon. Dann sah man Merz wie er auf Scholz herabschaute, wenn er ihn denn ansah. Häufig grinste der CDU-Chef, wenn Scholz redete, teilweise wirkte das schelmisch. Beobachter aus den Reihen der Union könnten es auch als schlumpfig interpretieren. Im Vergleich zu seinem Herausforderer wirkte der Kanzler optisch blasser, blickte oft mit ernster Miene drein.
Fazit: Scholz wusste, dass er angreifen musste, versuchte es auch. Doch es gelangen ihm kaum durchschlagende Treffer. Merz wirkte sicher und vorbereitet, teilweise gar zu sicher. Einen klaren Sieger kennt dieses Duell nicht. Die Forschungsgruppe Wahlen befragte im Auftrag des ZDF noch am Abend wahlberechtigte Zuschauer danach, wer sich besser geschlagen habe: 37 Prozent sagten Scholz, 34 Prozent Merz, 29 sahen keinen Unterschied. Ein Problem ist das vor allem für den Kanzler.