Mit Donald Trump im Weißen Haus werden auf Deutschland und die EU äußerst unangenehme Entscheidungen zukommen – vor allem im Handel, in der Verteidigung und im Umgang mit China. Schauen wir uns das an.
1. Handel: Trump hat angekündigt, Freunde und Feinde mit Zöllen zu belegen. Im Gespräch sind ein Pauschalzoll von zehn bis 20 Prozent auf alle importierten Waren, sowie ein extra Strafzoll zwischen 60 und 100 Prozent auf Waren aus China. Maßnahmen, die besonders die Exportnation Deutschland treffen würden. Die Süddeutsche Zeitung berichtet unter Berufung auf das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), hierzulande könnten bis zu 300 000 Jobs verloren gehen.
Die EU hat Bidens Amtszeit nicht genutzt. Auch mit einem US-Präsidenten, der als Transatlantiker galt, hat sie die Handelsstreitigkeiten mit den USA über Stahl- und Aluminiumzölle oder grüne Subventionen für Elektroautos nicht gelöst. Unter Trump dürften sich diese Auseinandersetzungen drastisch verschärfen – und zwar schon sehr bald. Die Aussetzung der europäischen Vergeltungszölle gegen die USA endet im März 2025. Spätestens 2026 wird auch der Streit um Subventionen für Airbus und Boeing wieder auf dem Tisch landen. Er gilt als einer der schwierigsten Handelskonflikte zwischen den USA und der EU.
Der Ausweg: Die EU-Kommission will sofort reagieren, sollte Trump tatsächlich Zölle verhängen. Eine interne „Trump Taskforce“ habe eine Liste mit Produkten erarbeitet, auf die Gegenzölle erhoben werden könnten, heißt es. Zuvor setzt man aber auf Verständigung. Das Ziel: Trump aufzuzeigen, dass Amerikaner und Europäer etliche gemeinsame Interessen haben.
Das ist der richtige Weg. Insider erzählen, Trump sei immer offen für Deals. Konkrete Details seien nachrangig, solange Trump seine großen Ziele erfüllt sehe. Ex-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat es 2018 vorgemacht: Er versprach Trump, die EU werde mehr Flüssiggas und Soja aus den USA einführen – und wendete damit Zölle auf EU-Autos ab.
2. Verteidigung: Europa wird sich hinsichtlich seiner Sicherheit und Verteidigung nicht mehr komplett auf die USA verlassen können. In seiner ersten Amtszeit hatte Trump einen Austritt aus der Nato angedroht. So weit wird es wohl nicht kommen. Aber der Fokus der USA wird sich klar verschieben – weg von Europa, hin zu China und dem Indopazifik.
Für das westliche Bündnis kursiert in Washington das Konzept einer „schlafenden Nato“. In der Ukraine könnten die Kampfhandlungen zügig enden, wenn Trump beide Seiten massiv unter Druck setzt. Das Problem wäre dann allerdings der Frieden: Wie soll er aussehen? Und wer soll ihn absichern? An beidem hat Trump kein Interesse. Das müssten die Europäer stemmen.
Das Problem dabei ist: Die Europäer sind weder auf Verhandlungen noch auf die Sicherung eines Waffenstillstandes vorbereitet. Im Hinblick auf Verhandlungen klagen ehemalige Diplomaten, Europa hätte keinerlei Vorbereitungen getroffen. Die zugesagte Erhöhung der Rüstungsausgaben wird erst mit der Zeit zu einer besseren Verteidigungsfähigkeit Europas führen. Vorerst bilden die USA das militärische Rückgrat, das die einzelnen nationalen Fähigkeiten zusammenführt. Aktuell stünden Deutschland und Europa ohne die USA blank da.
Der Ausweg: Wie schon in der Vergangenheit könnte der externe Druck durch Trump die EU aber auch handlungsfähig machen, einzelne Regierungen zusammenführen und mutige Entscheidungen ermöglichen. So schlägt der Verteidigungsexperte und ehemalige Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, vor, Deutschland, Frankreich, Polen und Gleichgesinnte sollten die Initiative für ein sicherheitspolitisches Kerneuropa ergreifen.
An Ideen mangelt es nicht, wie etwa gemeinsame Kredite zur Stärkung einer europäischen Rüstungsindustrie. Auch könnte man Großbritannien wieder enger an die EU binden. Verteidigungsminister Boris Pistorius und sein britischer Amtskollege John Healey haben mit der „Trinity House Vereinbarung“ einen ersten wichtigen Schritt getan.
3. China: Hier liegt der Knackpunkt. Die USA mögen tief gespalten sein – doch beim Thema China finden fast alle Akteure zusammen. Für Washington ist die Volksrepublik die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts – in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Technologie. Zwei Szenarien sind denkbar: Die USA und China könnten sich weiter entkoppeln. Es ist aber auch möglich, dass Trump und Xi einen direkten Deal finden. Beides birgt enorme Risiken für Deutschland und Europa. Aber auch Chancen.
Dass Europa – und vor allem Deutschland – sich nicht eindeutig mit Washington gegen China stellt, sorgt in den USA für großen Unmut. Dabei habe die China-Strategie der Bundesregierung eindeutig geklungen. Taten würden jedoch kaum folgen. In Washington heißt es unverblümt: Wenn ihr an der Seite Chinas stehen wollt, dann geht es nicht mehr mit uns.
Worauf es ankommt: In der internationalen Politik sei die Zeit der Wölfe angebrochen, so der Tenor. Leute, die mit Trump zusammengearbeitet haben, erzählen, worauf es jetzt ankomme: Der neue US-Präsident achte starke Anführer, Politiker, die ihren Zusagen Taten folgen lassen, „die abliefern“. Das erklärt auch Trumps Bewunderung für Wladimir Putin, Xi Jinping oder auch Kim Jong-un.
Entsprechend wichtig wäre es, dass die neue Bundesregierung rasch klare Standpunkte einnehme – und selbst aktiv werde, statt über ausbleibende US-Unterstützung zu lamentieren. Denn die wird nicht mehr kommen. Stattdessen sollten Deutschland und Europa ihren riesigen Markt stärken und selbstbewusst mit eigenen Ideen auftreten. Michael Radunski