„Der Wahlkampf ist eröffnet“, sagte Markus Söder gestern in Seeon beim Auftakt der traditionellen Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten. Vor dem gefrorenen Klostersee wählte Bayerns Ministerpräsident in der verschneiten Winterkulisse scharfe Worte: Es brauche jetzt im Wahlkampf-Sprint keine „Wischiwaschi-Konzepte“ und keine „übertriebene Correctness“.
Sondern, so Söder, eine „klare Linie“. In einer detaillierten 25-seitigen „Agenda“ für diesen Wechsel listet die CSU zehn „Ideologieprojekte der Ampel“ auf, die sie abschaffen und zehn „bürgerliche Chancen-Projekte“, die sie umsetzen will. Besonders im Mittelpunkt: Wirtschaft, Sicherheit – und vor allem Migration.
Ebenfalls darin enthalten sind klare Erwartungen an potenzielle Koalitionspartner. Nach der Bundestagswahl wolle die CSU nicht einfach nur die Groko wie unter Altkanzlerin Angela Merkel neu aufleben lassen. Vielmehr gebe es jetzt laut Söder eine neue starke CDU, die auf Mitte setze, aber auch Mitte-rechts im Blick habe. Soll auch heißen: mehr CSU.
Die Botschaft, die von Seeon ausgehen soll, ist klar: Ein Politikwechsel soll es sein. „Wenn wir es nicht ändern, werden es andere für uns ändern“, sagte Söder vor dem Kloster in Oberbayern. Noch drastischer formulierte es Alexander Dobrindt: „Wenn ein Politikwechsel nicht möglich ist und ein Politikaustausch nicht stattfinden kann, dann kommt der Parteienaustausch“, sagte er.
In Bayern gab man sich recht siegessicher. Hinter den beiden Politikern zählte eine Uhr die Tage, Stunden, Minuten und Sekunden bis zum Wahlabend herunter. Dann werde die „Mission Union“ starten, sagte Dobrindt; Söder sprach gar von einer „konservativen Revolution“.
Eine Voraussetzung hierfür: In einer neuen Regierung brauche es eine neue, dynamischere Art der Zusammenarbeit. „Koalitionsverhandlungen wurden im Verlauf der letzten Jahrzehnte immer stärker zu vorgezogenen Gesetzesberatungen“, heißt es im Beschlussentwurf für die Klausur, der SZ Dossier vorliegt. Gleichzeitig seien die Koalitionsverträge zu starr gewesen, um während der Legislaturperiode auf Veränderungen reagieren zu können.
Deshalb will die CSU den Koalitionsvertrag dynamisieren. Wie das aussehen soll? Zuerst sollen sich die Partner auf gemeinsame Ziele und ein Sofortprogramm mit konkreten Zeitplänen verständigen, das im ersten halben Jahr nach Regierungsstart abgearbeitet sein soll. „Wenn das Sofortprogramm umgesetzt ist, werden wir uns in der Koalition auf weitere Aufgaben und Prioritäten verständigen“, heißt es. Basis dafür sollen die vereinbarten Ziele sein.
Wie SZ Dossier bereits berichtete, soll der Koalitionsausschuss als zentrales Steuerungsorgan etabliert werden. Das Kalkül der CSU: Bayern hätte darin mit Söder eine gewichtige Stimme; die wohl gewichtigste nach dem Kanzler. Zudem will die CSU eine „Handschlagmentalität“ zur Voraussetzung für eine Koalition machen. Die Mitglieder des Koalitionsausschusses müssten demnach über die Fähigkeit verfügen, in Verhandlungen Kompromisse einzugehen – und diese dann in ihrer Fraktion oder Partei durchzusetzen.
Dabei präferiert zumindest die CSU weiterhin eine schwache SPD als Juniorpartner für eine Regierung unter einem Kanzler Friedrich Merz. Söders Ziel ist es, als starke Union mit so wenig Koalitionspartnern auszukommen wie möglich. „Der Ampelbrei hat nicht geschmeckt, weil so viele verschiedene Gewürze drin waren“, sagte er. Der CSU-Chef zeigte sich davon überzeugt, dass die Union mit der SPD mehr zentrale Ziele umsetzen könne, da bereits ein Umdenken bei Migration und Bürgergeld erkennbar sei.
Der Tenor: Sollte die Union die Wahl gewinnen, seien da bei den Sozialdemokraten andere Leute – Olaf Scholz zum Beispiel nicht mehr. Auf kommunaler Ebene zeige sich bereits, dass es etwa bei der Migration keinen Unterschied mehr mache, ob ein Bürgermeister in der CSU oder SPD sei, da sie „genau das Gleiche“ sagten. „Das sind für uns die zentralen Dinge“, sagte Söder.
Falls sich die SPD halbieren sollte, sagte Dobrindt, könnten ja vielleicht „die Vernünftigen“ übrigbleiben. Unabhängig von seinen Rechenspielen legte er eine klare Bedingung fest: „Ein Koalitionspartner wird sich daran messen lassen müssen, ob er erkennt, was an Richtungswechsel in Deutschland notwendig ist.“
Auffällig war, wen Dobrindt beim Auftakt nicht erwähnte: Die FDP, die in Stuttgart ebenfalls für einen „Politikwechsel“ warb. Stattdessen betonte er bei Welt TV: „Es gibt keine Leihstimmen irgendwohin zu vergeben.“ Es sei die maximale Stärke, die erreicht werden müsse, um den Politikwechsel am Schluss zu ermöglichen. Woran das auch liegt: Anders als bei früheren Wahlen ist die CSU aufgrund des geänderten Wahlrechts dieses Mal stärker auf Zweitstimmen angewiesen.
Eine Option schließt die CSU weiterhin kategorisch aus: „Wir glauben nicht, dass die Grünen kompetent sind, zu regieren“, sagte Söder. Dabei richtete er sich auch an die Schwesterpartei, an Roderich Kiesewetter etwa, der sich im Gespräch mit SZ Dossier für eine Koalition mit den Grünen ausgesprochen hatte. Und das mit klaren Worten: „Wenn die Union Schwarz-Grün weiter propagiert, wird es viele Wähler zu anderen Parteien treiben, definitiv zur AfD“, sagte Söder. Wer das nicht sehe, sei ein „Grünen-Fan“. Gabriel Rinaldi