Sparen ist für einen Schwaben nichts Ungewöhnliches, für manchen auch nichts Schlimmes. Gefreut haben wird sich Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer aber auch nicht, als er kürzlich im Morgenmagazin erklären musste, was seine Stadtverwaltung in Zukunft nicht mehr bezahlen wird: Ab April werde Tübingen zum Beispiel eine Million Euro bei den Busleistungen streichen. Wo die Busse jetzt noch jede halbe Stunde fahren, kämen sie nur noch einmal die Stunde.
Dabei sah es in Tübingen finanziell zuletzt gut aus. In einem Gastbeitrag in der FAZ schrieb Palmer, seine Stadt sei nach zehn Jahren mit positiven Jahresabschlüssen Ende 2022 schuldenfrei gewesen, habe sogar Plus gemacht. Dieses Jahr rechnet Palmer hingegen mit einem Minus von 20 Millionen Euro, 2025 könnte es Prognosen zufolge bei 40 Millionen liegen. „Das entspricht einem Haushaltsdefizit von zehn Prozent der laufenden Einnahmen“, schrieb der Tübinger Oberbürgermeister. Wie Palmer geht es derzeit etlichen seiner Kollegen: In vielen Rathäusern liefen oder laufen gerade die Beratungen über den Haushalt für das kommende Jahr – und darüber, wo gespart werden kann.
Die kommunalen Spitzenverbände rechnen in diesem Jahr mit einem Minus von mindestens 13,2 Milliarden Euro in den Kassen der Städte, Gemeinden und Landkreise. Laut der Prognose setzt sich die Entwicklung in den kommenden Jahren fort. Demgegenüber steht ein Investitionsstau, der laut KfW-Kommunalpanel in diesem Jahr bei 186 Milliarden Euro liegt. Olaf Scholz kündigt zwar vollmundig einen Gesetzentwurf an, um besonders betroffene Kommunen von ihren Altschulden zu befreien.
Abgesehen davon, dass dieser Entwurf aber keine Chance auf Umsetzung hat – Städten wie Tübingen hilft das Vorhaben auch gar nicht: Stand 2022 hat die Stadt keine Altschulden. Es geht mittlerweile also nicht mehr allein um jene Städte, die finanziell schon länger angeschlagen sind, das Problem hat sich ausgeweitet. Die kommende Bundesregierung wird sich also damit befassen müssen. Fragt sich bloß, wie.
Die SPD will „eine systematische Verbesserung der Kommunalfinanzen erreichen“, heißt es im Entwurf ihres Wahlprogrammes. Dafür plant sie die Einführung eines Deutschlandfonds mit einem Volumen von 100 Milliarden Euro. Außerdem wollen die Sozialdemokraten hohe Vermögen stärker in die Verantwortung nehmen und die Schuldenregeln lockern, um auch den Ländern die Möglichkeit zur Verschuldung zu geben.
Die seien dann auch verantwortlich dafür, die Kommunen finanziell adäquat auszustatten. Bernhard Daldrup, kommunalpolitischer Sprecher der SPD, nimmt aber auch den Bund in die Pflicht. Um den hohen Sozialausgaben der Kommunen entgegenzuwirken, solle der Bund größere Anteile bei den Kosten der Unterkunft für Geflüchtete oder etwa bei der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung übernehmen, sagt Daldrup.
Nicht weit entfernt von den Sozialdemokraten liegen die Ideen der Grünen: Karoline Otte, deren Berichterstatterin für Kommunales im Bundestag, plädiert hinsichtlich des Investitionsstaus ebenfalls für einen Deutschlandfonds. Außerdem schlägt sie vor, die Kommunen in höherem Maß an den Gemeinschaftssteuern zu beteiligen. Woher das Geld kommen soll? Otte spricht sich für „eine Reform der Verschuldungsregeln“ aus und will Vermögen stärker in den Blick nehmen: „Klaffende Steuerlücken für Superreiche müssen geschlossen werden”, sagt sie.
Darüber, dass ihre Partei sich am Freitag noch mit SPD und FDP auf steuerliche Entlastungen geeinigt hat, ist sie nicht glücklich. „Das jetzige Paket bedeutet durch Mindereinnahmen bei der Einkommenssteuer weniger Geld für Kommunen in ohnehin angespannten Haushaltslagen.“ Sinnvoller wäre es aus ihrer Sicht gewesen, „noch gezielter niedrige Einkommen“ in den Blick zu nehmen.
CDU und CSU verfolgen hinsichtlich der kommunalen Finanzen einen anderen Plan als Grüne und SPD. Der Tenor in ihrem Programmentwurf lautet: Haushalten mit dem, was da ist. So fordern CDU und CSU etwa, Mischfinanzierungen abzubauen. Die Länder sollen demnach nachweisen, wie sie Bundesmittel eingesetzt und in welcher Höhe Kommunen davon profitiert haben.
So soll offenbar verhindert werden, dass Geld, das vom Bund an Städte, Gemeinden und Landkreise fließen soll, bei den Ländern bleibt. Außerdem sollen Bund, Länder und Kommunen ihre „Ausgaben im Griff haben“ und bei den Sozialausgaben gemeinsam Lösungen finden, um die „Ausgabendynamik“ zu stoppen. Darüber hinaus plädieren CDU und CSU für den Grundsatz der Konnexität – dafür also, dass die staatliche Ebene, die Aufgaben veranlasst, sie auch bezahlt.
Das sieht auch die FDP so: Friedhelm Boginski, ihr kommunalpolitischer Sprecher, fordert: Wenn Bund und Länder neue Aufgaben beschließen, die die Kommunen umsetzen müssen, „müssen sie diese auch ordentlich ausfinanzieren“. Bei neuen Förderprogrammen „dürfen die Bürokratiekosten nicht höher sein als die Fördersumme“, sagt Boginski. Die kommunalen Verwaltungen erstickten ohnehin schon an der Bürokratie. Tim Frehler