Aus der CDU werden Forderungen laut, in der nächsten Regierung über ein Digitalministerium hinauszugehen. „Wir müssen an die Prozesse und Strukturen in der Verwaltung ran und brauchen ein echtes Transformationsministerium“, sagte der langjährige Unions-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkhaus SZ Dossier.
„Ein solches Haus braucht, ähnlich wie das Finanzministerium, Querschnittskompetenzen innerhalb der Bundesregierung, die über die Geschäftsordnung in andere Häuser hineinwirken“, sagte Brinkhaus. Es brauche ein „gemeinsames ‚Lagerfeuer‘ für Staatsmodernisierer und Digitalexperten“.
Brinkhaus hat in einem 39-Seiten-Papier, das SZ Dossier vorliegt, insgesamt 100 Vorschläge für einen modernen Staat vorgelegt. „Das Papier ist nicht konkret für den Wahlkampf und unser Wahlprogramm geschrieben worden“, sagte Brinkhaus im Gespräch. „Es ist aber schon so, dass die Funktionsfähigkeit des Staates eines der Hauptthemen im nächsten Wahlkampf und in der nächsten Legislatur sein muss.“
Der CDU-Politiker will vieles auf den Kopf stellen: die Personalsteuerung in den Ministerien, den Aufbau und die Funktionsweise der Häuser an sich, das Schreiben von Gesetzen. Das Thema Staatsmodernisierung müsse absolute Priorität haben: „Wir brauchen eine stärkere Richtlinienkompetenz des jeweiligen Regierungschefs.“
Im Kanzleramt müsse angesiedelt werden, was der ehemalige britische Regierungschef und Labour-Politiker Tony Blair gemacht habe: eine Prime Minister's Delivery Unit. „Führung heißt umzusetzen, nicht Strategiepapiere zu schreiben“, sagte Brinkhaus. „Das war vielleicht ein Problem in der Vergangenheit.“
In den vergangenen Jahren habe es wenige Regierungen gegeben, die wirklich vertrauensvoll zusammengearbeitet haben. Vertrauen sei aber wichtig, um gemeinsam Ziele zu erreichen. In den vergangenen 19 Jahren gab es 16 Jahre lang Regierungen unter Altkanzlerin Angela Merkel, in denen die Union wiederum zwölf Jahre lang mit der SPD regierte.
In Deutschland gebe es bereits Ansätze für ministeriumsübergreifende Arbeitsgruppen, die aber nicht wirklich zusammenarbeiten würden. „Dort wird die Silokultur nicht durchbrochen“, sagte Brinkhaus. Soll heißen: Am Ende zählen die Interessen des Ministeriums, nicht die der Regierung. Nicht zuletzt aus diesem Grund will er die Häuser auch unabhängiger von Parteifarben aufstellen.
„Deswegen bin ich dafür, dass alle Personen in der Bundesverwaltung bei der Bundesregierung angestellt sind und nicht mehr in einem Ministerium“, sagte Brinkhaus. Um die Arbeit effizienter zu gestalten, fordert er aber auch neue Formen der Zusammenarbeit: „Wir müssen die klügsten Köpfe aus unterschiedlichen Ministerien auf befristete Zeit zusammenholen und Projektministerien gründen, die sich dann auch wieder auflösen, wenn politische Ziele erreicht wurden.“
Eine weitere Idee: Mehr Sachverstand im Gesetzgebungsprozess. „Das Ministerium sollte sich als Plattform für die Gesetzesformulierung betrachten und den Prozess organisieren und kontrollieren“, heißt es im Papier. Die Formulierung selbst oder ihre Vorbereitung könnte dann wie in Schweden durch externe Expertinnen und Experten erfolgen.
Um zu messen, welche Ziele erreicht wurden, will Brinkhaus auch den Bundestag heranziehen. „Der zuständige Minister würde sich dann, bevor überhaupt der Haushalt aufgestellt wird, dem Deutschen Bundestag stellen und dann hätte man eine intensive Zieldiskussion“, sagte Brinkhaus. Derzeit sei es oft genau umgekehrt: „Wir sprechen zuerst über das Geld und dann über die Ziele. Und das ist keine Grundlage für ziel- und wirkungsorientierte Politik“, sagte Brinkhaus.
Sein Vorschlag: Der Bundestag soll sich wieder mehr auf seinen Kern fokussieren. Weniger und dafür mehr qualitativ hochwertigere Debatten. Das Papier schlägt eine Prüfung vor, inwieweit abschließende Abstimmungen zu „kleineren“ Gesetzen oder Oppositionsanträgen ohne Debatte nicht in einen öffentlichen Teil der Fachausschüsse verlagert werden könnten. Dafür will er „Ziel- und Umsetzungswochen“ vor den Haushaltsberatungen einrichten.
„Unser Kern ist nicht, die zweite Exekutive zu sein und der Regierung vorzuschreiben, wie sie zu arbeiten hat. Der Kern liegt darin, Ziele zu setzen, Werkzeuge bereitzustellen und Zielerreichung zu überprüfen“, sagt er. Dafür wünscht sich Brinkhaus auch einen Transformationsausschuss – und die Einrichtung temporärer Projektausschüsse im Parlament.
Die Trump-Administration und ihr Chefberater Elon Musk verfolgen da einen anderen Ansatz. Sie wollen Effizienz vor allem durch Entlassungen und Kürzungen. „Da ist überhaupt keine Wertschätzung für staatliche Institutionen da“, sagte Brinkhaus. „Ich will diesen Staat nicht klein machen, sondern will ihn besser machen.“ Ein Rechtsstaat, der gut funktioniere, sei ein ganz hohes Gut. „Ich denke, das ist ein komplett anderer Ansatz, den die Trump-Administration hat, denn die wollen den Staat schreddern.“
Ob er das alles selbst regeln will, möglicherweise als Transformationsminister? „Darum geht es nicht“, sagte er. Wichtig sei ihm nur, dass die Staatsmodernisierung Fahrt aufnimmt – und Kernprojekt der nächsten Koalition wird. Gabriel Rinaldi, Matthias Punz
Unser Dossier Digitalwende ordnet heute die wichtigsten digitalpolitischen Punkte ein.