Ist Deutschland digital abwehrbereit? Wenn es nach einer neuen Umfrage von Civey geht, nur bedingt. Knapp acht von zehn Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern in Politik und Verwaltung bescheinigen sich eine geringe Abwehrbereitschaft. Jeder und jede Vierte sagt gar, seine bzw. ihre Organisation habe „gar keine“ Abwehrbereitschaft.
Das Wissen um die Bedrohung ist aber da. 88 Prozent aller Menschen in Deutschland und 62 Prozent der Entscheiderinnen und Entscheider in Politik und Verwaltung sprechen der repräsentativen Umfrage zufolge, die im September mit 5.000 Personen und 500 Entscheiderinnen und Entscheidern geführt wurde, von einer hohen oder sehr hohen Bedrohung von Staat und Wirtschaft durch Cyberangriffe.
Drei Viertel von ihnen wollen mehr Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und staatlichen Institutionen. Microsoft Deutschland hat mit der Umfrage, die sie in Auftrag gegeben haben, am Dienstag auch den weltweiten Microsoft Digital Defense Report 2024 veröffentlicht. Angriffe gegen Deutschland würden gerne von kriminellen Hackergruppen ausgeführt, weil sie die deutsche Wirtschaft als finanzkräftiges Opfer einschätzen.
Für den Report hat Microsoft täglich über 78 Billionen technische Vorgänge analysiert. Insgesamt würden allein Microsoft-Kundinnen und -Kunden jeden Tag über 600 Millionen Mal von Cyberkriminellen und staatlichen Hackern angegriffen. Hierbei spielen Passwörter als Einfallstor eine bedeutende Rolle. Herausgestochen ist Anfang des Jahres ein Angriff der russischen Hackergruppe Midnight Blizzard.
Wie Igor Tsyganskiy, Chief Information Security Officer bei Microsoft, im Vorwort des Reports schreibt, habe Microsoft entdeckt, dass es einen „massiven Cyberangriff“ gab. Ein Eckpfeiler sei die Secure Future Initiative1 (SFI), die das gesamte Unternehmen dazu verpflichtet, die Sicherheit über alle anderen Überlegungen zu stellen. „Wir haben die Phishing-resistente Multifaktor-Authentifizierung (MFA) im gesamten Unternehmen zur Pflicht gemacht und die Robustheit des Microsoft-Unternehmensnetzwerks erhöht“, schreibt Tsyganskiy. Zudem gebe es nun 34.000 Vollzeitstellen für Sicherheit statt 10.000 im Vorjahr. Das Ganze sei ein Wettrennen, welches mittlerweile in einer irrsinnigen Geschwindigkeit passiere.
Zurück zum Report. Einige Ergebnisse stechen besonders heraus:
Die Bedrohung durch staatliche Akteure steigt. Sie versuchen mit ihren Angriffen, den Ausgang geopolitischer Konflikte zu beeinflussen, sei es durch Spionage, Löschen von Daten oder Einflussnahme auf demokratische Entscheidungsprozesse wie Wahlen. Microsoft beobachte ein „technologisches Aufrüsten“ der staatlichen Hacker durch künstliche Intelligenz und eine zunehmend engere Zusammenarbeit mit Cyberkriminellen und Hackergruppen.
Dabei konzentriert sich ein Großteil der staatlichen Cyberangriffe auf Konfliktregionen wie Israel, die Ukraine oder Taiwan. Russland und Iran versuchten demzufolge, gezielt politische Stimmungen zu beeinflussen. Russland nutze die Gruppen vorrangig dazu, um die Ukraine und Nato-Mitgliedsstaaten anzugreifen. Iran fokussiere sich voll auf Israel: Waren vor dem Hamas-Massaker auf die israelische Zivilbevölkerung am 7. Oktober 2023 nur rund zehn Prozent der Angriffe gegen Israel gerichtet, sind es seitdem rund 50 Prozent.
Wenn es um die Beeinflussung von Wahlen geht, heißt es im Bericht, seien primär Russland, Iran und China aktiv. Sie versuchen demnach, das Publikum in den USA zugunsten einer Partei oder eines Kandidaten zu beeinflussen. Iran setzt dabei vor allem auf Kamala Harris, Russland auf Donald Trump, weshalb man sich auch mal gegenseitig beharke. Microsoft geht davon aus, dass die Aktivitäten in den nächsten Wochen vor den US-Wahlen weiter zunehmen werden.
Was also tun? „Wir sehen auf der bösen Seite eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Staaten und zwischen den mächtigen kriminellen Hackergruppen und deswegen halten wir es für unbedingt notwendig, dass auf der guten Seite diese Zusammenarbeit auch stattfindet“, sagte Ralf Wigand, National Security Officer bei Microsoft Deutschland. Der Konzern habe einen sehr guten und ausführlichen Blick auf die Cloud, andere Einrichtungen hätten einen guten Blick auf ihre On-Premise-Umgebung, die Microsoft wiederum nicht sehe.
„Daraus ergibt sich kein vollständiges Bild“, sagte Wigand. „Wir brauchen dieses vollständige Bild aber auf beiden Seiten, um entsprechend reagieren zu können“, sagte er. Microsoft fordere deshalb – wie etwa BSI-Chefin Claudia Plattner – ein bundeseinheitliches Lagebild. „Wir tauschen diese Informationen gerne aus, wir stehen in regem Kontakt mit den entsprechenden Behörden“, sagte Wigand. Das könne aber keine Einbahnstraße sein. Gabriel Rinaldi