„Die Stimmung ist so ein bisschen moll gerade“, sagte Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) gestern Abend beim Zukunftskongress seiner Bundestagsfraktion über die Atmosphäre im Land. Dabei erlebe er bei seinen Besuchen im Land den Blick nach vorn. „Wir sehen manchmal gar nicht, was so alles passiert neben dem Sound des Untergangs, der hier so verbreitet wird“, sagte er. Schuld also, sind mal wieder – ja, wer eigentlich? Die wirtschaftliche Lage jedenfalls nicht, er erst recht nicht.
Grüner wird’s nicht: Am Sonntag noch hatte der Vizekanzler im Deutschlandfunk seine großen Themen fürs Land skizziert: Infrastruktur, Vermögensungleichheit, Wirtschaftswachstum. Das Publikum im Kosmos – dem alten DDR-Kino, in dem ausgerechnet das BSW seinen Gründungsparteitag feierte – hätte grüner kaum sein können, also fokussierte sich Habeck auf den zweiten Block: die soziale Frage. Damit hofft er, den linken Flügel mit seinen Realos versöhnen zu können. Gerechtigkeit, sagte Habeck, müsse man breiter denken.
Rote Grüne: „Gerechtigkeit als ‚Wir geben jedem noch mal 200 € mehr‘ oder so etwas wird nicht ausreichen, das jedenfalls ist passiert während der Ampelzeit“, konstatierte Habeck. Stichwort Vermögensungleichheit. Gegen „radikale Vermögensungleichheit“ will er Repräsentation in Institutionen, aber auch eine „faire Behandlung“ vor Gerichten: „Also wenn Schwarzarbeit hart geahndet wird auf der Baustelle oder so und Cum-Ex-Geschäfte nicht, dann läuft das auseinander“, sagte Habeck.
Bündnis 90/Die Nabelschau: Als die Moderatorin sich nach einigen Minuten ohne Habeck-Intervention über Männer freute, die zuhören können, ging ein begeistertes Raunen durch die Halle. Mindestens genauso euphorisch lief die Begrüßung des Vizekanzlers als „Kinderbuchautor“ ab, der ja – „herzliche Grüße an Friedrich Merz“ – neun Jahre Regierungserfahrung habe. Habeck, sichtlich erfreut, lächelte viel angesichts so viel grüner Selbstvergewisserung.
Ebenfalls im Repertoire: Alte Habeck-Klassiker, die vor allem die eigenen Reihen beschwichtigen sollen, gespickt mit etwas Schärfe angesichts des nahenden Wahlkampfs. Der öffentliche Raum reagiere nicht auf Erfolge, sondern aufs Negative. Soll heißen: Die großen Ampel-Erfolge, konkreter wurde es nicht, kämen nur nicht richtig an. Habeck will künftig „Bündnisse als Konzept von Politik für eine Gesellschaft, die in der Lage ist, immer neue Gemeinsamkeiten auszuloten“. Im Unterschied, eh klar, zur Union: „Niemand in der CDU mag Markus Söder, aber sie sind eine Union“, sagte Habeck. Er wolle Mehrheiten lieber ausloten.