Kurz bevor die Abgeordneten des Deutschen Bundestages gestern über die Anträge der AfD und der Union in Sachen Migration abstimmen sollten, kam ihnen etwas dazwischen: Ihre Smartphones stimmten gemeinsam ein in den piepsenden Chor des bundesweiten Warntages. Und weil es offenbar nicht allen auf Anhieb gelang, ihr Gerät in einen geräuschlosen Zustand zu versetzen, war aus dem Plenarsaal auch während der Abstimmungen noch ein Warnton zu hören.
Das steht sinnbildlich für die Debatte – wenn es auch für Heiterkeit sorgte. Am Morgen hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das sogenannte Sicherheitspaket der Bundesregierung im Bundestag vorgestellt. „Wir steuern, wir regeln und bringen Humanität und Ordnung zusammen“, sagte sie. Faeser wiederholte dabei auch die Einladung für erneute Gespräche an die Union, wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sie am Mittwoch bereits ausgesprochen hatte. „Die Tür ist jederzeit offen“, sagte Faeser.
Doch in ihrer eigenen Partei wächst der Frust über die Innenministerin, berichten Georg Ismar und Markus Balser. Mehrere SPD-Abgeordnete erzählen, dass die Grenzkontrollen zu allen deutschen Nachbarstaaten und härtere Regeln für Migranten nie Thema gewesen seien. Besonders die Parlamentarische Linke ist irritiert. Es dürfe kein Überbietungswettbewerb stattfinden, „in dem unser im Grundgesetz verankertes Menschenbild sowie europäische Regeln unter die Räder kommen“, sagte der Bundestagsabgeordnete Tim Klüssendorf. Auch Teile der Basis sind empört. Influencerin Lilly Blaudszun sagte: „Für solche Politik mache ich nächstes Jahr ganz sicher keinen Wahlkampf.“
Sprunghafte Ministerin: Faeser sage immer mal wieder, gewisse Maßnahmen seien auf keinen Fall möglich, die dann plötzlich doch möglich würden. Das wirke getrieben, heißt es aus der Partei. Wie bei Grenzkontrollen, auch im vergangenen Jahr schon: Als Spitzenkandidatin im hessischen Wahlkampf sagte sie am 12. September 2023, wenn man die Grenze stärker kontrolliere, werde der „Fahndungserfolg nicht größer, wenn links und rechts dann Geflüchtete über die Grenze gehen“. Zwei Wochen später kündigte sie die Wende an den Grenzen zu Polen und Tschechien an. Inzwischen erzählt sie, dass seit Oktober 2023 rund 30.000 Personen zurückgewiesen worden seien. Unwirksam also sind die Grenzkontrollen auch laut Faeser nicht länger.