„Wie in der Politik etwas gesagt wird, entscheidet, was in der Politik gedacht und was gemacht wird“, schrieb Robert Habeck 2018 in seinem schmalen Band „Wer wir sein könnten“. Es war das Buch, das seine damals angestrebte Kanzlerkandidatur begründen sollte, und der Satz, an den die Spitzenmänner der Ampel denken könnten, bevor sie das nächste Mal ihr Heil in der Eskalation suchen.
Spätestens seit Habeck vor einer Woche im Politico-Podcast konstatierte, die Koalition habe keine gemeinsame Idee mehr, die sie noch zusammenhielte, scheint es rhetorisch keine Haltelinien mehr zu geben. Die Regierungsarbeit sei „mühsam“, sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Sommerinterview mit ProSieben/Sat.1, immerzu müsse man befürchten, dass „der Pulverdampf vom Schlachtfeld“ verdecke, was erarbeitet worden sei. Die eigene Regierung – wenn auch indirekt – als Schlachtfeld zu bezeichnen, ist unübertroffen.
Es ist einerseits die politische Führung des Kanzlers die fehlt, andererseits der Respekt seiner Minister davor. Die drei ehemals starken Männer der Ampel, Olaf Scholz, Robert Habeck und Christian Lindner, wirken in diesem Sommer mehr und mehr als würden sie diese Regierung im Grunde nicht mehr wollen: Als seien sie derart gekränkt, dass sie nicht mehr wüssten, wie sie anders, besser, eleganter miteinander umgehen könnten. Scholz’ Forderungen nach „gutem Benehmen“ der Ampel-Partner verhallen klanglos, er hält sich ja selbst nicht mehr dran. Im Sommerinterview sprach er nicht nur vom „Schlachtfeld“, sondern auch davon, dass er glaube, es werde nicht mehr einfacher, „für niemanden in Deutschland“.
Warum diese Zuspitzung? Die Gründe dafür sind, je nach Ampelpartner, unterschiedlich. Scholz ist die rhetorische Eskalation nicht fremd, man denke nur an die „Bazooka“ oder den „Doppel-Wumms“ während der Coronapandemie. Die Worte von Scholz entfalten ihre Wirkung am besten aufgeschrieben, er trägt sie oft mit einer Tonlosigkeit vor, die ein erneutes Hinhören unumgänglich machen. Seine Erwartung an seine Fortschrittskoalition könnte inzwischen kaum geringer sein, das zeigt sein öffentliches Hadern mit ihr. Er braucht sie trotzdem. Ein Dilemma.
Vizekanzler Habeck geht inzwischen so lapidar mit der Ampel um, als sei es ein Sommerflirt, keine Regierungskoalition. Lindner jedenfalls würde in einer von ihm geführten Koalition nicht Finanzminister, sagte er mit spitzbübischem Lächeln vorgestern beim Bürgerdialog. „So sind wir miteinander“, schob er hinterher. Habeck ist eine andere Art von Redner als Scholz, Menschen wollen ihm zuhören, selbst, wenn er manchmal so viele rhetorische Schleifen bindet, dass es schwer wird, ihm zu folgen.
Gerade scheint er auszuloten, wie weit er gehen kann, vor allem in seiner angestrebten Rolle als Kanzlerkandidat der Grünen. Die Koalition hat er sprachlich wie gedanklich offenbar weitgehend aufgegeben, er denkt weiter. Die „Übergangskoalition nach der Ära Merkel“ von Nouripour war kaum gedankenlos dahergesagt, darauf muss eine neue Ära folgen. Habeck glaubt, er könne der Erbe sein.
Und Lindner? Auf dem Höhepunkt des Haushaltsstreits soll FDP-Chef Lindner Scholz gesagt haben, wenn der Kanzler eine andere Haushaltspolitik wolle, müsse er ihn eben entlassen, so berichtete es die Zeit. Öffentlich ist er, trotz seines Rufs als Zocker, nicht für unkontrollierte Äußerungen bekannt. Wenn er etwas sagt, hat er sich das für gewöhnlich vorher gut überlegt. Er kämpft darum, die FDP aus der Fünf-Prozent-Todeszone herauszuholen, inszeniert sich dafür als Verfechter der Schuldenbremse, koste es, was es eben koste.
Justizminister Marco Buschmann (FDP), ein enger Vertrauter Lindners, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, ihm seien die „pseudotherapeutischen Selbstbespiegelungen“ der Ampel „zutiefst fremd“. Er wolle keine Sommerlochdiskussion über Egos führen.
Scholz selbst sagte vor einigen Jahren einmal zu dem Thema, er kenne einige, bei denen man den Eindruck bekäme, „die sehen sich, während sie sprechen, in einem Schwarz-Weiß-Film“. Es ist ein passendes Bild, auch für die letzten Wochen der Ampel. Das Überleben dieser Koalition hängt gerade jetzt gefährlich an den verletzlichen Egos von Scholz, Habeck, Lindner.