So schnell kann es gehen, vom Bild des Jahres (oder des „frühen 21. Jahrhunderts“) nach dem gescheiterten Attentat, bis dahin, „seltsam“ und verrückt genannt zu werden: Donald Trump liegt in einigen Umfragen erstmals hinten und muss wegen der neuen Wettbewerbssituation seinen Wahlkampf umstellen – in Echtzeit, aber das liegt ihm ja.
Schauen wir uns das an: fünf Beobachtungen.
Der alte Donald Trump ist zurück: Seit die Gegnerin Kamala Harris heißt, sind wir wieder Zeugen einer Mischung aus persönlichen Beleidigungen und wilden Attacken. Auch das Spitznamen-Labor hat er wiedereröffnet („Kamabla“). Zeitweise hatte der Kandidat der Republikaner versucht, Disziplin zu halten, als ihm die Umfragen einen Vorsprung vor Präsident Joe Biden bescheinigten.
Biden war in Trumps Kampagne leicht zu charakterisieren. Bei Harris probiert er erst aus, was hängenbleiben könnte. Der Versuch, einen Keil zwischen die schwarze Kandidatin und die schwarze Wählerschaft zu treiben, war offenbar zu billig, um in der Breite zu verfangen. Das war zunächst die Taktik: ihre schwarze Identität infrage zu stellen und sie als mit „niedrigem IQ“ ausgestattet zu beschimpfen.
In den vergangenen Tagen kam ein zweites Element dazu: Harris und ihr Running Mate Tim Walz „wollen, dass dieses Land sofort, wenn nicht sogar noch früher, kommunistisch wird“, sagte er am Mittwoch in einer Fox-Sendung. Harris als links darzustellen, scheint Trump zu gewöhnlich – es muss schon die Karikatur dessen sein.
Sie sei eine „San-Francisco-Linke“, Walz ein „Westküsten-Möchtegern“, schreibt Trumps Team ihnen zu. Dass Walz zum Zeitpunkt seiner Nominierung drei Vierteln der Amerikaner noch unbekannt war, macht es Trump umso schwerer, ihn festzunageln. Dass er ihn 2020 einmal für den Umgang mit der Gewalt lobte, die nach dem Mord an George Floyd ausbrach, wird weder Trump noch Anhänger weiter stören.
Er ist jedenfalls genervt vom gegnerischen Team: „Die Flitterwochen für Kamala Harris müssen Sie verrückt machen, sie dauern ja immer noch an“, wurde er in der Fox-Sendung weiter gefragt. Dixit Trump: „Das tun sie.“ Nachdem er zunächst zurückgezogen hatte, willigte er in einer Pressekonferenz in Mar-a-Lago gestern ein, im September zu einem ersten TV-Duell anzutreten. Der Fernsehsender ABC teilte dazu mit, Trump und Harris hätten beide einer Debatte am Abend des 10. September zugestimmt.
Wer schon gewonnen hat: Axios berichtet, dass die Demokraten mit 325 Millionen Dollar fast doppelt so viel Geld in politische Werbung gesteckt haben wie die Republikaner (und Harris’ jüngster Lauf bei Spendern legt nahe, dass ihrem Wahlkampf die Luft so schnell nicht ausgehen wird). Bemerkenswert: Der größte Anteil der Demokraten-Dollar floss laut Axios in digitale Werbung – ins Internet also, nicht in lokale Fernsehsender wie in der Vergangenheit die Regel. Das ist weniger breitenwirksam, aber zielgerichteter auf Gruppen und Individuen – und (in den USA) kaum reguliert oder gar begrenzt. Geld wird noch wichtiger im US-Wahlkampf, einem digitalen Goldrausch.
Das Präsidentschaftsrennen ist offen. Das Bild des Jahres stahl ein Surfer Trump.