„Waffenverbotszonen machen die Straßen ein Stück weit sicherer, aber nicht überall sind sie sinnvoll und rechtlich umsetzbar“, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul SZ Dossier. Sein Bundesland gilt als Vorreiter, die Polizei NRW hat derzeit vier Waffenverbotszonen eingerichtet.
Wie der CDU-Politiker ausführte, richte NRW die Zonen dort ein, wo nachweisbar viel Gewaltkriminalität stattfindet. „Ich glaube nicht, dass eine Waffenverbotszone die eine Lösung für alle Fälle ist. Sie ist ein Mosaikstein“, sagte Reul. Der funktioniere dann aber nur bei viel Polizeipräsenz vor Ort.
Laut Polizeilicher Kriminalstatistik wurden im vergangenen Jahr 8.951 Messerangriffe mit gefährlicher oder schwerer Körperverletzung registriert. Das sind durchschnittlich 24 Attacken mit mindestens einer verletzten Person pro Tag. Der Tod des Polizisten Rouven Laur in Mannheim durch ein Messer-Attentat befeuerte die Debatte zuletzt. Die Frage, ob mehr Waffenverbotszonen gegen Messerkriminalität helfen, beschäftigt seitdem die Politik.
Selbst der Kanzler forderte in seiner Regierungserklärung vor zwei Wochen bundesweit mehr Waffenverbotszonen, „vor allem an Hotspots und bei Großveranstaltungen“, im Bundesrat fand am Freitag eine Verschärfung des Waffenrechts eine Mehrheit. Die Waffenrechtsnovelle, heißt es, werde derzeit noch von der FDP blockiert.
Die Länderkammer wünscht sich deshalb eine schnelle Umsetzung und ein Verbot von Springmessern sowie des Führens von Klingen mit einer Länge von mehr als sechs Zentimetern in der Öffentlichkeit. Zudem sollen Messer und andere Waffen bundesweit einheitlich im öffentlichen Personenverkehr verboten werden. Dazu spricht Nancy Faesers Innenministerium auch auf der Innenministerkonferenz in Potsdam, die heute beginnt.
Wer sich mit dem Thema beschäftigt, stößt schnell auf drei verschiedene Debatten, die derzeit gerne vermischt werden: ein grundsätzliches Messerverbot in der Öffentlichkeit, die Ausweitung von Waffenverbotszonen und eben die Waffenverbote im öffentlichen Personenverkehr.
„Ein generelles Verbot, Messer im öffentlichen Raum und im Öffentlichen Personennahverkehr mitführen zu dürfen, führt zu klareren und verständlicheren Regeln“, sagte SPD-Innenpolitiker Sebastian Fiedler SZ Dossier. In Zeiten stetig zunehmender Gewaltkriminalität mit Messern sende das die unmissverständliche Botschaft aus, dass allein das Mitführen eine erhöhte Gefahr darstellt.
„Es ist etwas merkwürdig, dass mir immer wieder die Frage gestellt wird, ob und wie die Polizei ein generelles Messerverbot durchsetzen könnte“, sagte Fiedler. Die Frage stelle sich schließlich heute schon, etwa beim Verbot von Schusswaffen. Man könne durch solche Maßnahmen zwar nicht jede Messertat verhindern, eine größere Sicherheit als heute aber auf jeden Fall erreichen.
Waffenverbotszonen können nach dem Waffengesetz von Landesregierungen verordnet und den Polizeien eingerichtet werden. Wer mit der Düsseldorfer Polizei telefoniert, die seit Dezember 2021 eine temporäre Waffenverbotszone unterhält, stößt vor allem auf Verfechter dieser Maßnahme.
Ein Sprecher sagte SZ Dossier, man habe mehr als 68.000 Personen kontrolliert und dabei 685 verbotene Gegenstände – davon 376 Messer – eingezogen. „Eine ganz große Zahl hat Verständnis dafür und es gibt kaum Wartezeiten“, sagte der Sprecher. In Düsseldorf seien alle zufrieden, auch die Kolleginnen und Kollegen, denn jedes Messer, das nicht da sei, könne keinen verletzen. Es habe seitdem, Zufall oder nicht, auch kein schweres Messerdelikt mehr gegeben.
Doch das sieht nicht jeder so bei der Polizei. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt sagte SZ Dossier, Messerverbotszonen seien nur dann sinnvoll, wenn sie mit ausreichendem Personal unterlegt seien, um die Kontrollen auch auszuüben – er wünscht sich mehr Polizisten. „Die Politik offenbart ihre ganze Hilflosigkeit, indem sie immer mehr Messerverbotszonen ankündigt, denn das Personal lässt sich nicht beliebig vermehren und wir können auch nicht noch mehr Personal aus anderen Bereichen herauslösen“, sagte Wendt.
Die Landespolizeien müssten sich jetzt der Aufgabe widmen, neue Kolleginnen und Kollegen einzustellen. Zudem seien auch die Kommunen gefragt, zusätzliches Personal für die Ordnungsbehörden zu finden und dieses entsprechend auszubilden und auszustatten. „Im öffentlichen Raum ist nicht allein die Polizei zuständig“, sagte Wendt.
Auch in der Hauptstadt, in der die Polizei vergangenes Jahr 3482 Taten mit Messerbezug zählte, ist man skeptisch, was Fiedlers Vorstoß eines generellen Messerverbots angeht, das Argument ist wieder das gleiche: „Keine Polizei in unserem Land kann das flächendeckend kontrollieren und es bräuchte dann auch eine Rechtsgrundlage, warum ich jemanden durchsuche“, sagte Benjamin Jendro von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin. Fakt sei auch, dass Messerangriffe in den letzten Jahren deutschlandweit zugenommen haben und das, obwohl es Verschärfungen im Waffenrecht gab und es bereits jetzt verboten ist, Menschen mit Messern anzugreifen, sagte Jendro.
„Messer sind anders als Schusswaffen zugänglich, jeder hat welche als Alltagsgegenstände zuhause und Menschen sind bereit, sie mitzunehmen und einzusetzen“, sagte Jendro. Waffenverbotszonen in Berlin? Keine geeignete Maßnahme, sagte er, denn „viele dieser Taten passieren nicht im öffentlichen Straßenland, sondern in Privaträumen“.
Man könne zwar sicherlich darüber nachdenken, bestimmte Bereiche als Verbotszone zu deklarieren. „In Berlin hätten wir aber Dutzende solcher Hotspots. Wenn dort personell bedingt kaum kontrolliert wird, bringt ein solches Verbot wenig“, sagte Jendro. Also auch in Berlin vor allem eine Frage des Personals.
Wie Wendt sagte, seien junge Männer mit Migrationshintergrund bei Messerdelikten überrepräsentiert, doch das genüge nicht. Man brauche mehr Informationen, um ein Lagebild zu erstellen und besser vorbereitet zu sein. Laut Jendro verhindere ein Verbot auch nicht die Taten, über die derzeit deutschlandweit diskutiert werde. Denn „Terroristen“ und „psychisch Kranke“ ließen sich ebenso wenig wie „Personen aus der organisierten Kriminalität“ von Verbotsschildern abhalten.