„Wer in Pirna, Löbau oder Zittau den Mund aufmacht für demokratische Werte, wird sofort unter Druck gesetzt“, sagt Michael Nattke. Er ist Geschäftsführer des Kulturbüros Sachsen, das im Freistaat Vereine, Initiativen und Kommunalpolitik im Umgang mit Rechtsextremismus berät. Nicht nur das. Auch das Geld ist ein Problem. Wegen der Landtagswahlen rechnet Nattke erst im Mai nächsten Jahres mit einem Haushalt, erst im Juni werde es dann Geld vom Land geben. So lange müssten sie sich im Kulturbüro eben mit Krediten „oder mit irgendwas“ finanzieren, sagt er. Die Arbeitsverträge seiner Mitarbeiter enden ohnehin schon jedes Jahr am 31. Dezember, längere Verpflichtungen könne man nicht eingehen. „Hätten wir jetzt ein Demokratiefördergesetz, dann hätten wir Sicherheit.“
Hätte, hätte. Das Demokratiefördergesetz befindet sich im Stadium des Konjunktivs. Ein Gesetzentwurf liegt vor, das Kabinett hat ihn verabschiedet, doch im Bundestag steckt das Gesetz fest, weil die FDP es blockiert. Weil sich die Fraktionen derart verhakt haben, soll es von den Fraktionsvorsitzenden der Ampel verhandelt werden. Seit dieser Entscheidung ist nichts passiert, in der Prioritätenliste ist das Gesetz nach unten gerutscht.
Spätestens seit den jüngsten Angriffen auf Politiker wie Matthias Ecke (SPD) sind die Wortmeldungen laut, die beklagen, dass sich die Stimmung im Land aufheizt, dass Hass und Hetze überhandnehmen, dass da bald etwas kippt. Fragt sich, was tun? Und wäre da nicht ein Gesetz das Richtige, das die Demokratie stärken will?
Bislang kann der Bund Projekte zur Demokratieförderung oder zur Extremismusprävention nur zeitweise fördern, das soll sich mit dem neuen Gesetz ändern. „Damit geht ein Zuwachs an Planungssicherheit für den Bund und die Zivilgesellschaft einher“, steht im Entwurf. Zivilgesellschaftliche Akteure, wie Nattke und das Kulturbüro Sachsen, könnten ihre „Strukturen nicht nur aufrechterhalten, sondern vor allem auch weiterentwickeln“.
Das klingt gut. Aber woran hakt es? Die FDP stellt das Gesetz ganz infrage. „Es gibt nachhaltigere Wege, die Demokratie zu fördern, zum Beispiel ein vielseitiges Vereinsleben und eine Politik, von der sich Menschen gut vertreten fühlen“, sagte die FDP-Fraktionsvize Gyde Jensen SZ Dossier. Die FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg sagte der SZ Ende vergangenen Jahres: „Wenn Nichtregierungsorganisationen mit eigener politischer Agenda mit Steuergeldern finanziert werden, schwächt das sowohl die Meinungsvielfalt als auch den demokratischen Rechtsstaat.“ Ein weiteres Problem aus FDP-Sicht ist die fehlende Extremismusklausel, die besagen soll, dass wer Förderung vom Bund erhalten will, ein Bekenntnis zum Grundgesetz abgeben muss.
„Das macht in der Sache überhaupt keinen Sinn“, sagt der SPD-Abgeordnete Felix Döring. Die Extremismusklausel stelle die Zivilgesellschaft unter Generalverdacht. Verantwortliche in den Projekten könnten dadurch einzeln haftbar gemacht werden für Fehlverhalten der Teilnehmer. Es gebe auch keinen Bedarf nach zusätzlicher Kontrolle, die betreffenden Ministerien hätten schon alle notwendigen Instrumente in der Hand „und prüfen und evaluieren alle Projekte ausführlich“, sagt Döring. Die Bundeshaushaltsordnung mache da strenge Vorgaben. Döring, der das Gesetz für die SPD mitverhandelt, fordert daher „so schnell wie möglich“ fertig zu werden. „Ich appelliere an die FDP, sich an den Koalitionsvertrag zu halten.“
Nattke vom Kulturbüro Sachsen hält die Extremismusklausel ebenfalls für überflüssig. Ihre Bedingungen seien ohnehin schon in den Nebenbestimmungen der Zuwendungsbescheide vom Bund enthalten. „Wenn wir akzeptieren, dass Geld fließt, akzeptieren wir auch diese Klausel, dass wir nicht mit extremistischen Organisationen zusammenarbeiten“, sagt Nattke. Tim Frehler