Die Fregatte Baden-Württemberg ist am Dienstag erst von Wilhelmshaven aus aufgebrochen zur Mission im Indopazifik. Sieben Monate bis Rückkehr: Bis sie in die Verlegenheit kommt, um Taiwan links- oder rechtsherum zu fahren, wird es eine Weile dauern. Außenministerin Baerbock schloss dennoch jetzt schon nicht aus, dass sie die Taiwanstraße befahren werde: Die Deutsche Marine tut das in ihren Möglichkeiten stehende, ein Zeichen zu setzen gegen die größte Macht auf den Weltmeeren.
Irgendwer muss es ja tun: Der Bundeskanzler hatte öffentlich bei seiner China-Reise nichts zur Taiwanfrage verlauten lassen. Es gibt zwei Chinapolitiken in der Bundesregierung. Eine „wertegeleitete“ der Grünen und ihrer Außenministerin, eine von den Interessen der Exportindustrie geprägte, die Scholz während seines Besuchs zur Schau stellte. Darin spiegelt sich auch Europas Suche nach einer Haltung vis-à-vis China wider.
Von geostrategischen Fragen über Russlands Krieg gegen die Ukraine bis zur Handelspolitik verschiebt sich gerade einiges im Verhältnis zwischen der EU und China. Deutschland steht im Verdacht, genährt von der Kanzlerbeobachtung in anderen Hauptstädten, mindestens spät dran zu sein mit der Erkenntnis, dass das Verhältnis mit „systemischer Rivalität“ genau beschrieben ist. So steht es sogar in der neuen Chinastrategie der Bundesregierung, auf Papier. Der schwerere Vorwurf ist von Diplomaten auch zu hören: dass Deutschland die Fehler seiner Russlandpolitik im Begriff sei zu wiederholen und Chinas Absichten aus Rücksicht auf ein hergekommenes Geschäftsmodell zu wenig entgegensetze.
Dass Scholz und seine Delegation an Industrieführern bloß mit Zusicherungen zurückkamen, Deutschland dürfe wieder Äpfel und Rindfleisch nach China ausführen, war kein sehr zarter Hinweis: Exportieren will Peking auch, und zwar Industrieprodukte wie E-Autos und andere Technologie, es wünscht da keine Beschränkungen auf europäischer Seite und behält sich Subventionen vor.
Emmanuel Macron ging es kaum besser als Scholz. Auch Frankreich hat ein Handelsdefizit mit China. Macron schenkte Xi anlässlich seines Paris-Besuchs eine Flasche Cognac und eine schöne Karaffe. Die französischen Cognacdestilleure dürfen bald noch mehr hinterherschicken, c'est tout.
Aber Frankreichs Haltung gegenüber China ist eine härtere. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Macrons Einladung gefolgt war, zum Treffen mit Xi dazuzukommen, buchstabierte sie quasi aus: Sie stellte Strafzölle für E-Autos schon so deutlich in Aussicht, dass niemand überrascht sein darf, wenn es so weit kommt. Auch von der Leyens Chinapolitik ist eine andere als die des Kanzlers.
Scholz schlug die Einladung aus, auch zu dem Treffen kommen. Es wäre eine Möglichkeit gewesen, dem chinesischen Besucher gegenüber Geschlossenheit zu demonstrieren. Aber Scholz war schon im Baltikum verabredet, mit allen drei Staaten an einem Tag; was soll er in Paris.
Die Balten empfinden Chinas internationales Auftreten als übergriffig und waren teils auch schon wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen ausgesetzt, als Strafe für die Unterstützung Taiwans. Während der Kanzler am Montag im Lande war, sprachen Litauens Premierministerin und der Außenminister mit Vertretern von 30 Ländern, der EU-Kommission, internationaler Organisationen und auch der US-Regierung auf einer hochrangigen Konferenz darüber, wie coercion, wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen Chinas, begegnet werden könne. Freunde seiner Chinapolitik hat Scholz im Baltikum nicht gefunden.
Für Chinas Präsident Xi Jinping muss die Woche eine Freude gewesen sein. Deutschland und Frankreich mit ähnlicher Ausgangslage, was Abhängigkeiten von China angeht, aber verschiedenen Schlussfolgerungen. Die Kommission daher in ihrer Politik nicht mit dem Rückhalt beider Hauptstädte ausgestattet – für China eine weitere Garantie dafür, dass die EU nicht bereit ist, sich auf einen Handelskrieg einzulassen.
Zum Abschluss dann gestern der ungarische Premierminister Viktor Orbán, der ein wichtiger Partner geworden ist und sich in Brüssel gegen die Durchsetzung des Wunsches nach fairen Handelspraktiken Chinas positioniert. In der zweiten Jahreshälfte übernimmt Ungarn den EU-Ratsvorsitz. Xi äußerte seine Hoffnung, währenddessen das Verhältnis der EU zu seinem Land verbessern zu können.