Den Parteitag der CDU, ab heute im Neuköllner Estrel-Hotel, hat die Führung mit dem Ziel orchestriert, die Partei mit personeller, inhaltlicher und am besten auch taktischer Sicherheit und Einigkeit auszustatten vor den Landtagswahlen im Herbst, schreiben Gabriel Rinaldi und Florian Eder.
Also: Heute Wiederwahl des Vorsitzenden und Neuwahl des Bundesvorstands. Am Dienstag Neuerfindung der Partei durch ein Grundsatzprogramm, das mit der Merkel-CDU bricht, entsprechende Klarheit über Richtung und Koalitionsoptionen auch durch Einigkeit der führenden Stimmen. Der Mittwoch steht im Zeichen der Europawahl.
Worauf wir auf dem Parteitag achten:
Das Wahlergebnis von Friedrich Merz wird ab 14:15 Uhr erwartet. Ein gewisser Erwartungskorridor zeichnet sich unter den Parteifreunden ab: Weniger als 80 Prozent wären ein Desaster, über 90 Prozent sehr gut – „und alles dazwischen nicht schön, aber noch einigermaßen vermittelbar“, schreibt mein Kollege Robert Roßmann. Die Frage dahinter und ebenso hinter dem neuen Grundsatzprogramm: Wie weit folgt die Partei ihrem Vorsitzenden bei der Emanzipation von Angela Merkel?
Keine Liebe: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst warb im vergangenen Jahr einmal in einem Gastbeitrag in der FAZ für den Kurs der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das ist insofern relevant, als Merz darüber die Fassung verloren haben soll, wie der Spiegel berichtete; weil 1001 Delegierte zur Parteitagsvorbereitung am Wochenende die Geschichte gelesen haben werden – und weil der Bericht von Zitaten aus Merz’ sehr engem Umfeld lebt.
Noch eine Pflichtlektüre: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther warb in der FAZ nicht nur dafür, die Mitte nicht zu vergessen, sondern auch für einen offeneren Umgang mit der Linkspartei, was der Stratege und Generalsekretär Carsten Linnemann falsch fand. Er sagte gar am Freitag vor Journalisten, Schwarz-Grün sei mit „diesen Grünen“ nicht möglich (nach einer Wahl rede man freilich mit allen). Die CDU spiele bei allen Landtagswahlen auf Sieg, sagte der Generalsekretär.
Dixit Linnemann: Womöglich freut er sich dann im Herbst noch über die Beinfreiheit, die Günther dem Vorsitzenden und seiner Crew per Interview zu verschaffen suchte. Es sieht zwar etwa in Thüringen durchaus nicht nach einem CDU-Wahlsieg aus, aber wenn der Anspruch aufs Ministerpräsidentenamt ernst gemeint sein sollte, könnte sich die Frage ergeben: Wie soll das gehen, ohne sich entweder von der Linken und dem, pssst, geschätzten Bodo Ramelow (oder der AfD) wählen oder tolerieren zu lassen?
Die Ironie der Äquidistanz: Ein diesbezüglich reines Gewissen der CDU ist Ramelows beste Chance auf den Verbleib im Amt. Und Thüringen hat schon die Ambitionen einer anderen CDU-Kanzlerkandidatin in spe beendet.
Kreuzberg statt Cadenabbia: Gefeiert wird auch, und zwar beim Berliner Abend am Dienstag auf verschiedenen Floors. Joe Chialo, Berliner Kultursenator, wird als DJ auflegen. Selbst einen Späti plant die CDU. Man ist schließlich in Berlin.