Was plant Israel? Nach Informationen von SZ Dossier hatte Baerbock am Sonntag Kontakt mit ihrem israelischen Amtskollegen Israel Katz, dem Kriegskabinettsmitglied und früheren Verteidigungsminister Benny Gantz, und dem jordanischen Außenminister Ayman Safadi. Die Regierung stimme sich eng mit den Partnern ab, sagte Baerbock auf einer Pressekonferenz in Berlin. „Dabei geht es natürlich auch um die Frage, welche Konsequenzen nun auf den iranischen Angriff folgen werden“, sagte sie.
Israels Regierung wägt derzeit die Optionen ab. Ein Treffen des Kriegskabinetts am Sonntag endete ohne öffentlichen Beschluss. Israel hat zwei Möglichkeiten: entweder auf den Angriff zu reagieren oder nicht.
Dilemma: Der iranische Angriff habe kaum Schaden angerichtet, daher könne eine Reaktion auch einfach ausfallen, so geht das Argument der USA. Premierminister Benjamin Netanjahu weiß, und ein Telefonat am Sonntag wird kaum etwas anderes ergeben haben, dass US-Präsident Joe Biden einen großen Vergeltungsschlag nicht gutheißt. Gleichzeitig will Netanjahu reagieren, Israels nationale Sicherheit ist der Eckstein seiner Strategie zum Machterhalt.
Krisen sind Stunden der Diplomatie. Im besten Fall schafft sie es, Schlimmeres abzuwenden, und Deutschland versucht sich darin, trotz beschränkter Möglichkeiten in der Region – Israels Sicherheit ist Staatsräson. Baerbock leitete am Sonntagvormittag den Krisenstab im Auswärtigen Amt, live dabei war Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), das Innenministerium schickte Staatssekretär Hans-Georg Engelke. Ein „regionaler Flächenbrand“ hätte „unkalkulierbare Folgen“ warnte Baerbock auf der Pressekonferenz.
Wie der Kanzler es erfuhr: Die Nachricht des iranischen Angriffs auf Israel erreichte Scholz im Flugzeug, Flughöhe 11.900 Meter, über Kasachstan und über seinen Außenpolitik-Berater Jens Plötner, berichtet mein Kollege Daniel Brössler, der ihn begleitet. Scholz hat zwar einige Termine in der Millionenstadt Chongqing abgesagt, doch ein Abbruch der Reise steht nicht zur Debatte. Auch, weil Scholz mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping über genau diese Krise reden wird.
Zurück zur Lage in der Region: Indizien dafür, dass der Iran nicht die maximale Eskalation sucht, gibt es einige: Drei Tage vor dem Angriff habe Iran die Staaten in der Region gewarnt, heißt es vom Regime, damit auch Israel. Die pro-iranische Hisbollah-Miliz im Libanon hatte Israel zwar ebenfalls angegriffen, aber nicht mit allem, was verfügbar war; dasselbe gilt für die iranische Attacke selbst. Man habe sich bewusst für eine „Strafaktion“ entschieden, nicht für einen „massiven Angriff“, sagte der General Mohammad Bagheri.
Vor allem aber zeigte Teheran kein Interesse an einer Konfrontation mit den USA.
Welche Konsequenzen? Baerbock blieb die Antwort auf der Pressekonferenz schuldig. Vorstellbar wäre zum Beispiel, dass Israel zwar zurückschlägt, aber absichtlich keine konkreten Ziele trifft, oder Ziele wie die Drohnenfabrik, die das Kriegswerkzeug herstellt, das die Mullahs auch nach Russland exportieren. Die USA würden das vielleicht stillschweigend gutheißen, so die Überlegung in Sicherheitskreisen. Eine Option, die der Nahost-Experte Guido Steinberg bei Caren Miosga einbrachte, wäre ein Präventivschlag gegen die Hisbollah.