Am Montag hat Ursula von der Leyen eine Verabredung mit der CDU: Die Kommissionspräsidentin spricht in den Gremien ihrer Partei vor, die sie als ihre Spitzenfrau in den Wahlkampf zum Europäischen Parlament schicken wird – und erwartet, dass sie erneut als Kommissionschefin zurückkommt.
So sieht ihr Plan dafür aus.
Es gehört zu den Eigenheiten dieser Wahl, dass von der Leyen als künftige Spitzenkandidatin von niemandem gewählt werden können wird, mit dem launigen Argument, dass es kaum Unterschied mache, ob sie nur in Niedersachsen oder nirgendwo in Europa auf dem Wahlzettel stehe. Dass sie zudem ohnehin nicht vorhätte, ins Europaparlament zu gehen; ein Mandat und ein Amt in der europäischen Exekutive schließen sich aus. Und dass ausgerechnet von der Leyen, die mit der CDU oft aneinander geriet, sie im Wahlkampf verkörpern wird.
Der Auftritt am Montag – das offenste Geheimnis der CDU – ist der erste in einer wohl choreografierten Reihe: Nach der eigenen Partei, die sich ein Versprechen von ihr erwartet, in einer nächsten Amtszeit weniger grüne und mehr schwarze Politik zu betreiben, kommt die europäische Ebene an die Reihe.
Das ist neu: Für eine zweite Amtszeit muss von der Leyen ein Minimum an Anstrengung unternehmen, während die Nominierung für die erste ihr ohne Wahlkampf geschenkt wurde. Eine Mehrheit im Europaparlament musste sie sich dennoch suchen.
Den Umfragen nach wird dies nicht komfortabler als beim letzten Mal angesichts erstarkender Parteien rechts von der EVP und einem Trend zur weiteren Diversifizierung der Landschaft. Ihr traut es die christdemokratische Parteienfamilie zu, das zu schaffen – das sagte diese Woche zum ersten Mal ein Spitzenpolitiker in Kameras und Aufnahmegeräte.
Die EVP habe „Populisten und Europhoben“ gerade in Polen gezeigt, dass man kämpfen muss, aber auch gewinnen kann, sagte Margaritis Schinas, einer von von der Leyens Vizepräsidenten und ein Meinungsführer in der EVP. Das Europaparlament könne durchaus „kaleidoskopisch“ werden, sagte er in Berlin bei einer Auftakt-Veranstaltung zur MSC: „Die neue, alte Kommissionspräsidentin wird sich eine Mehrheit zusammenschustern müssen.“
Ihr Kern: die Fraktion der Europäischen Volkspartei unter Führung von Manfred Weber. Am kommenden Mittwoch stellt von der Leyen sich nach Auskunft aus Fraktionskreisen den Abgeordneten und ihren Erwartungen: weniger Regulierungsdruck auf Wirtschaft und Bauern wollen sie in der kommenden Legislatur. Der Auftritt ist der zweite Schritt.
Sie solle „einen Fokus mehr auf Wettbewerbsfähigkeit und marktwirtschaftliche Steuerung beim Klimaschutz“ legen, sagte Daniel Caspary SZ Dossier, der Chef der CDU-Abgeordneten im Europaparlament. In diese Richtung habe von der Leyen „in den vergangenen 18 Monaten schon umgesteuert“.
Einen Verteidigungskommissar solle von der Leyen ernennen, lautet eine andere Forderung aus ihrer Partei, in der Hoffnung, europäische Sicherheitspolitik zum Gewinnerthema für die EVP zu machen – und in der Hoffnung möglicher Interessenten wie Polens Außenminister Radosław Sikorski, den Posten dann zu besetzen. Dass die Erfordernisse der Zeit „einen neuen institutionellen Rahmen für Verteidigungspolitik in der Kommission“ erfordern, sagte auch Schinas in Berlin.
Es folgt drittens der Parteikongress der EVP Anfang März in Bukarest, bei dem keine Gegenkandidatur zu von der Leyen erwartet wird: Die Nominierung ist ihr sicher. Ihr Wahlkampfteam wird dann in die Parteizentrale ziehen, sie selbst im Berlaymont, dem Sitz der Kommission, bleiben. Leitplanken für den Europawahlkampf hat sie selbst im Januar gerade erst erlassen, sie kommen deutscher Praxis nahe: Kommissionsmitglieder dürfen ihn aus dem Amt heraus führen, so lange Amts- und Parteitermine nicht vermischt werden und Dinge wie Social-Media-Kanäle getrennt geführt werden.
Bis zur Wahl Anfang Juni bleiben abzüglich der Osterpause etwa zehn Wochen, in denen von der Leyen durch ausgewählte EU-Länder touren soll. In der EVP rechnet man damit, dass sie sich auf EVP-regierte Länder und solche mit starker EVP-Opposition konzentrieren wird.
Der Wahlkampf legt auch die Machtbasis für hinterher, für die Mehrheiten im Kreis der Regierungschefs und im Parlament. Die ersten Gegengeschäfte zeichnen sich ab: Die EVP-Parteien etwa in Polen und Griechenland, die hoffen, viel beizutragen zu von der Leyens Ergebnis, werden Einfluss einfordern in einer möglichen Kommission VDL II und in der Fraktion.
Im Gegenzug nehmen sie die ihre Spitzenkandidatur parteipolitisch ernster, als es Weber 2019 je vergönnt war: Mit Donald Tusk, mit Kyriakos Mitsotakis oder dem Kroaten Andrej Plenković werde eines gewiss nicht wieder vorkommen, ätzte ein Regierungsberater: Angela Merkel habe Weber fallenlassen „noch bevor sie sich beim Europäischen Rat an den Tisch setzte“.
Aber vor dem Gipfel kommt die Europawahl, in Deutschland am 9. Juni: der vierte Schritt für von der Leyen, bevor das große Spiel um die Macht erst beginnt.