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Wer Geld hat, hat auch Freunde

Möglichst viele Akteure möglichst früh einzubinden: Das schält sich als Strategie des neuen Finanzministers Lars Klingbeil heraus. Bei der Vorstellung seines Programms gestern im Bundestag klatschten anders als bei Friedrich Merz am Tag zuvor fast immer sowohl CDU/CSU als auch die SPD. Und nicht nur die Union, auch Grüne und Linke erklärten sich zur Mitarbeit an der Finanzpolitik bereit, nachdem Klingbeil angekündigt hatte, nach der nötigen (Zwei-Drittel)-Mehrheit für eine grundsätzliche Änderung der Schuldenbremse zu „suchen“.

Die Linke freut’s. „Wir freuen uns auf die Einladung in die Reformkommission Schuldenbremse und werden konkrete Vorschläge mitbringen“, antworte Ines Schwerdtner, die Linken-Bundesvorsitzende, in ihrer allerersten Bundestagsrede.

Ambitionierter Zeitplan. Ob diese Einladung kommt, verriet Klingbeil auch am Nachmittag bei seiner Pressekonferenz zur Steuerschätzung nicht, berichtet Peter Ehrlich. Nur so viel: „Bundestag und Länder werden eingebunden.“ Aber während die Unionsparteien noch grundsätzlich damit hadern, dass sie die Linksfraktion brauchen, sobald im Bundestag eine Zwei-Drittel-Mehrheit nötig ist, folgt Klingbeil auch bei der Schuldenbremse dem ambitionierten Zeitplan der Koalition: Er will eine Grundgesetzänderung bis Ende des Jahres.

Fürs Phrasenschwein: das Faxgerät. Klingbeils erstes großes Werk soll noch vor der Sommerpause der Haushaltsentwurf für das laufende Jahr sein. Zusammen mit dem Haushalt werde es auch ein Gesetz zur Umsetzung des Sondervermögens Infrastruktur geben. Ebenfalls am 25. Juni soll das Kabinett den „Investitionsbooster“ beschließen, also die 30-prozentige Sonderabschreibung auf Investitionen und die anschließende Senkung der Körperschaftsteuer. Eile ist geboten, schließlich sei es „Thema Nummer 1“ im Koalitionsvertrag, „Arbeitsplätze und wirtschaftliche Stärke in unserem Land zu sichern“, sagte Klingbeil im Bundestag. Investitionen müssten dafür sorgen, „dass die Bagger rollen, die Bahn pünktlich kommt und die Faxgeräte in den Ruhestand geschickt werden“.

Überschaubare Steuerausfälle. Die von den Steuerschätzern errechneten Mindereinnahmen von drei Milliarden Euro in diesem und 19 Milliarden Euro im nächsten Jahr für alle staatlichen Ebenen (bei Gesamteinnahmen von rund 1000 Milliarden Euro) hätten das Ministerium nicht überrascht und machten die Arbeit nicht schwerer, beteuerte Klingbeil. Nur geringere Einnahmen aus der Körperschaft- und Gewerbesteuer haben mit der Rezession zu tun, der Rest entfällt auf Ende des Jahres beschlossene Steuerentlastungen.

Drei Budgets, drei Grenzen: In Zukunft muss der Minister mit drei Finanztöpfen jonglieren. Zusätzliche Ausgaben für Verteidigung und Sicherheit sind per Verfassung und neuen EU-Regeln möglich, hier gibt es also große Spielräume. Dazu kommt das neue Sondervermögen Infrastruktur, aus dem in dieser Wahlperiode laut Kanzler Merz 150 Milliarden fließen sollen. Auch dieses Geld ist für die deutsche Schuldenbremse nicht relevant, wohl aber für die EU-Haushaltsregeln. Da aber alle EU-Länder und die Kommission die deutschen Mehrausgaben politisch unterstützen, werde sich wohl ein gemeinsamer Weg finden, gab sich Klingbeil optimistisch.

Neue Freunde. Bleibt der klassische Haushalt, für den zunächst noch die bisherige Schuldenbremse und das Bekenntnis im Koalitionsvertrag gilt, auch sparen zu wollen. „Ich habe viele neue Freunde im Kabinett“, die alle noch Geld für 2025 wollten, spottete Klingbeil. Aber alles stehe unter Finanzierungsvorbehalt. „Da werden sie in den ein oder anderen Konflikt auch mit der eigenen Partei geraten“, sagte Grünen-Chef Felix Banaszak in der Bundestagsdebatte voraus. Wenn Klingbeil es geschickt anstellt, kann aber der Investitionsfonds auch da ein wenig entspannen. Die Einnahmeverluste der Kommunen – laut Steuerschätzung 3,5 Milliarden im nächsten Jahr – machten es umso wichtiger, dass von den für die Länder reservierten 100 Milliarden Euro möglichst schnell Geld bei den Kommunen ankomme. Erst am Morgen hatte der neue Städtetags-Präsident Burkhard Jung (SPD) genau das gefordert.