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SPD hadert mit Parteichef Klingbeil

Spätestens nachdem Saskia Esken gestern Abend im Bericht aus Berlin angekündigt hat, nicht mehr für den Parteivorsitz zu kandidieren, dreht sich bei den Sozialdemokraten jetzt alles um ihn: Lars Klingbeil. Beim Landesparteitag des größten Landesverbands in Duisburg sparten die Delegierten am Samstag nicht mit Kritik am Zustand der SPD. Und der Art und Weise, wie sich Klingbeil nach dem schlechtesten deutschlandweiten Ergebnis seit 1887 in die entscheidende Führungsrolle der Partei manövriert hatte. Peter Ehrlich berichtet aus Duisburg.

Frauenfrage: „Wie viele letzte Schüsse gibt es eigentlich?“, fragte die Juso-Landesvorsitzende Nina Gaedike unter großem Beifall ihren Parteichef nach dessen Appell an Einheit und Solidarität in der SPD, der von den rund 400 Delegierten wenig euphorisch aufgenommen wurde. Andere Delegierte, vor allem Frauen, kritisierten den Umgang mit der Co-Vorsitzenden Saskia Esken und dass Klingbeil noch am Wahlabend die Führung der Fraktion an sich gerissen habe. Inhaltlich kritisierten die SPD-Delegierten vor allem, dass sich die SPD nicht gegen die harte Migrationspolitik und die Abschaffung des Bürgergeldes gewehrt habe. Die Szenen wiederholten sich am Sonntag auf dem Landesparteitag der schleswig-holsteinischen SPD.

Kurs der Mitte: Klingbeil, der schon zu Anfang eigene Fehler eingeräumt und die Bundestagswahl als „Tiefpunkt der Sozialdemokratie“ bezeichnet hatte, verwies in seiner Reaktion auf die Mehrheit beim Mitgliederentscheid. Seine Antwort auf 16,4 Prozent bei der Wahl sei nicht, dass die SPD weiter nach links rücken solle. Die Partei solle sich „weder von Themen ganz links noch von Themen ganz rechts“ von einem Kurs der Mitte und der Verteidigung der Arbeitnehmerinteressen ablenken lassen. Mit sechs Frauen und drei Männern im Kabinett könne man ihm außerdem keine Frauenfeindlichkeit vorwerfen. Klingbeil sicherte zu, dass es beim Bundesparteitag im Juni um Aufarbeitung gehen werde.

Auf und Ab: In der Partei wurde darauf verwiesen, dass die Parteitagsdelegierten im Durchschnitt jünger und kritischer seien als die Masse der 90.000 SPD-Mitglieder in NRW. Die wiedergewählten Landesvorsitzenden Achim Post und Sarah Philipp hoben insbesondere Themen wie das Sondervermögen Infrastruktur, die Garantie des Rentenniveaus und den Mindestlohn positiv hervor. Allerdings ging auch der von der Landesführung unterstützte Leitantrag mit der SPD hart ins Gericht – auf Bundes- und Landesebene. Die SPD befinde sich seit zwei Jahrzehnten „in einer Phase der kleinen Aufs und großen Abs“.

Bas bleibt stumm: Nach Zahl der Erwähnungen in den Reden und Lautstärke des Beifalls zu urteilen, war die beliebteste Politikerin in Duisburg die neue Arbeitsministerin Bärbel Bas. Sie, die selbst aus Duisburg stammt, gilt als wahrscheinlichste Kandidatin für den Co-Vorsitz der Partei neben Klingbeil. Bas selbst vermied jede Festlegung. Klingbeil weiß, dass die SPD ohne bessere Ergebnisse in NRW keine Bundestagswahl gewinnen kann (die Partei kam im Land auf 20 Prozent bei einem Verlust von 9,1 Prozentpunkten). Die NRW-SPD wiederum braucht Rückenwind aus Berlin für die Kommunalwahl im September und die Landtagswahl 2027.

Sparzwänge: Dabei steht jetzt schon fest, dass die Partei nach dem schlechten Wahlergebnis erst einmal sparen muss, um die geringeren Überweisungen aus der Staatskasse auszugleichen. Bundesschatzmeister Dietmar Nietan sagte, er werde heute der Parteiführung in einem elfseitigen Papier Strukturveränderungen vorschlagen, „alte Zöpfe“ müssten abgeschnitten werden, nur die Kommunalpolitik könne noch gestärkt werden. Weniger Geld für die Parteiarbeit und die sichtbare Unruhe im Mittelbau der Partei werden den Bundesparteitag Ende Juni in Berlin nicht einfach machen. Klingbeil, der heute zu seinem ersten EU-Finanzministertreffen nach Brüssel reist, hat neben dem für ihn neuen Ministerium die SPD weiter als Großbaustelle an der Backe.