Für Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) ist heute der Tag der Verteidigung. Erst muss sie im Bildungsausschuss, dann im Bundestagsplenum Rede und Antwort stehen. Die Führungsebene hatte Abteilungen des Ministeriums um Prüfung gebeten, ob Wissenschaftlern, die sich gegen die Räumung eines pro-palästinensischen Protestcamps ausgesprochen hatten, Fördergelder entzogen werden könnten. Zudem sollte eine Liste der Unterzeichner erstellt und geprüft werden, ob Aussagen strafrechtlich relevant seien. „Mich interessiert vor allem: Wer hat denn nun die Prüfbitte in Auftrag gegeben?“, sagte der CDU-Abgeordnete Thomas Jarzombek, der Stark-Watzinger im Bildungsausschuss befragen wird.
Wer aus der Führungsebene verlangte die Prüfung? Bislang hieß es, die Staatssekretärin Sabine Döring sei verantwortlich. Sie ist bereits von Stark-Watzinger entlassen worden. Dokumente aus dem Haus, die das Portal Frag den Staat veröffentlicht hat, legen aber nahe, dass der zuständige Abteilungsleiter und das Pressereferat die Bitte erhoben haben könnten. „Die Entlassung von Frau Döring war ein drastisches Signal“, sagte Jarzombek, „die Ministerin hat in ihrer Erklärung gesagt, dass personelle Konsequenzen angezeigt wären. Doch wenn die Staatssekretärin die Prüfbitten nicht in Auftrag gegeben hat, warum musste sie dann gehen?“ Die Staatssekretärin als Bauernopfer, so klingt das.
Dahinter steht auch die Frage: Was wusste Stark-Watzinger und wann? Sie gab an, erst am 11. Juni nach Medienberichten von der Prüfbitte erfahren zu haben. Die Wissenschaftsszene empfand die Bitte als Bedrohung ihrer Unabhängigkeit. „Ich teile den Inhalt des Briefs in keiner Weise, ich habe den Kopf geschüttelt, als ich ihn gelesen habe“, sagte Jarzombek, „aber das fällt ganz klar unter Meinungsfreiheit.“ Bislang, findet er, habe Stark-Watzinger Transparenz vermissen lassen. In der FDP rechnet man trotz offensichtlich schlechtem Krisenmanagement und fehlerhafter Kommunikation bislang nicht mit einem Rücktritt der Ministerin.
Zur Erinnerung: Stark-Watzinger hatte kurz nach der Veröffentlichung des Briefs angezweifelt, ob die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner auf dem Boden des Grundgesetzes stünden. Auch andere Politiker kritisierten den Brief scharf, der zwar das Leid der Menschen in Gaza erwähnte, nicht aber den Terroranschlag der Hamas am 7. Oktober oder das Leid der Geiseln. „Die Freiheit für jüdisches Leben in Deutschland ist kleiner geworden, das macht mir Sorgen“, sagte Jarzombek. Das belegen auch Zahlen: Im Jahr 2023 hat sich die Zahl der antisemitischen Vorfälle im Vergleich zu vorangegangenen Jahren fast verdoppelt, auf 4782.