Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat dem Stern ein Interview gegeben, das Wahlkampfpotenzial hat. Er machte seinen eigenen Leuten eine klare Ansage zum Haushalt, der Finanzrahmen, den Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vorgegeben hatte, sei mit ihm abgesprochen. Das war's dann aber auch mit gemeinsamer Ampel-Rhetorik. Den Mindestlohn kritisierte er als zu niedrig, zuerst müsse er auf 14, dann auf 15 Euro angehoben werden. Klingt verdächtig nach einem SPD-Wahlplakat 2021.
Sei's drum: Die Grünen, natürlich pikiert darüber, dass Scholz ihnen ein sozialpolitisches Thema (wieder) abnimmt, müssen sich trotzdem froh zeigen. „Ich freue mich, dass der Kanzler unserem Vorschlag nun folgt“, sagte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch SZ Dossier. Wie der Kanzler übte er Kritik an der Mindestlohnkommission: „Die letzte Mini-Anhebung wurde einseitig gegen die Arbeitnehmerseite durchgedrückt. Das darf nicht wieder vorkommen“, fand Audretsch. Die FDP hielt dagegen: „Die Politik ist gut beraten, aus dem Mindestlohn keinen Überbietungs-Wettbewerb in Wahlkampfzeiten zu machen“, sagte FDP-Vize Johannes Vogel SZ Dossier. Die Mindestlohnkommission habe sich bewährt.
Neue Argumente: Die Linke versucht es mit für sie neuen Argumenten. Ein höherer Mindestlohn bedeute eine Entlastung für den Staatshaushalt. Das zeigten Prognosen nach der Einführung des Mindestlohns von 12 Euro: Der Gesetzentwurf prognostizierte Mehreinnahmen bei der Sozialversicherung in „Höhe von annähernd 0,5 Milliarden Euro im Jahr 2022 und in Höhe von 1,4 Milliarden Euro pro Jahr ab dem Jahr 2023“. Der Bundeshaushalt spare so 2022 65 Millionen Euro, im darauffolgenden Jahr sogar 260 Millionen und ab dem Jahr 2024 110 Millionen Euro. Christian Görke, Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken, findet, ein höherer Mindestlohn würde „gleich mehrfach helfen“.