Zwei von zehn Befragten sind laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend mit der Arbeit des Bundeskanzlers zufrieden. Nur 14 Prozent würden SPD wählen, die damit die kleinste Bundestagsfraktion stellen würde (Union 32, AfD 21, Grüne 15, FDP 4 Prozent). Es ist der niedrigste Wert für einen Bundeskanzler, seit es die Befragung gibt, seit 1997. Politik heißt Führung, heißt Entscheidungen zu treffen, gerade in Krisen.
Vielleicht liegt es daran: Die erste selbst gesetzte Frist zur Beendigung des Haushalts-Chaos in dieser Woche hat die Koalition rasch gerissen: Bis zur Kabinettssitzung sollten Grundzüge des Haushalts 2024 stehen. Wir saßen am Dienstagabend aber mit einem Haushälter um eine Cocotte voll Navarin d'agneau herum und sprachen in anregender Runde über KI und Kissinger; von besonderer Hast war keine Rede.
Politische Einigung: Dann also „sehr bald“, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwochmittag mitteilte. Das heißt im allgemeinen Sprachgebrauch: sehr bald. Für des Kanzlers Entourage aber ist es ein dehnbarer Begriff. Am Donnerstag schrieb Katja Mast, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion in einer Nachricht, die die SZ einsehen konnte: „Obwohl wir von unserer Seite alles dafür getan haben, kann der Haushalt für das Jahr 2024 nicht mehr rechtzeitig in diesem Jahr beschlossen werden.“ Aber hey! „Olaf ist zuversichtlich, dass in den kommenden Tagen ein Ergebnis erzielt werden kann.“ Mehr hier.
Zerreißprobe Parteitag? Nun also die dritte Frist der Woche, der heute beginnende SPD-Parteitag. Delegierte, die auch die OWD-Maxime („Olaf will das“) beeindruckt, glauben nicht an großes Drama. Der Juso-Vorsitzende Philipp Türmer kündigte allerdings im Gespräch mit der SZ ein solches an. Und einer, der schon Aufstände aus geringeren Gründen erlebt hat als den Eindruck, der Kanzler könne einer schmerzhaften Kürzung im Sozialhaushalt zustimmen, sagt voraus, Scholz müsse schon mit einem Plan kommen: „Sonst fliegt ihm der Parteitag um die Ohren.“
Scholz’ Vorhaben laut Haushältern: Den Delegierten das Gefühl zu geben, sie würden den Plan oder wenigstens seine Leitplanken entwickeln, die er dann mit in die Gespräche nehme.
Was bleibt ihm übrig: Solange kein Bundeshaushalt steht, wird nur weitergebaut, was schon begonnen wurde, ausgezahlt, was per Bescheid zugesagt ist, auch bei Sozialleistungen und Gehältern. Alles andere muss Bundesfinanzminister Christian Lindner genehmigen: das Regime der vorläufigen Haushaltsführung verhindert Shutdown und Staatskrise, wie sie den USA wieder und dauernd droht – ein Anreiz zu zügiger Einigung ist sie für den Finanzminister nicht.
Der Unterschied zwischen Liberalen und Sozialdemokraten hier recht anschaulich in einem Tweet.