Unsere Kernprodukte
Im Fokus
Weitere SZ-Produkte
Shops und Marktplätze
Media & Service
Partnerangebote
Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?
Anzeige inserierenMöchten Sie unsere Texte nachdrucken, vervielfältigen oder öffentlich zugänglich machen?
Nutzungsrechte erwerbenSchnelldurchlauf:
Berlin würdigt Papst Franziskus +++ Klöckner erntet Widerspruch +++ Neue Debatte über Wehrpflicht +++ Tiefgang: Worüber das Konklave entscheidet
Guten Morgen. Die Bundesinnenministerin hat aus Anlass des Todes von Papst Franziskus für heute Trauerbeflaggung der obersten Bundesbehörden angeordnet. Auch in den USA wehen die Flaggen auf halbmast, landesweit, wie Präsident Donald Trump sagte. Italien trauert. In Argentinien, der Heimat Jorge Mario Bergoglios, hat Präsident Javier Milei eine siebentägige Staatstrauer verhängt.
Es gibt nicht viele Menschen, deren Tod weltweit öffentliche Trauer auslöst, wenigstens zeremonieller Art. Andersherum wären das Ausbleiben von Respektbezeugungen in wenigen Fällen so riskant für Regierungen, bei 1,4 Milliarden Katholiken in der Welt. Der Nachfolger des verstorbenen Papstes wird als Teil seiner weltlichen, politischen Aufgaben damit zu tun haben, dass das so bleibt.
Willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Die deutsche Spitzenpolitik hat den verstorbenen Papst Franziskus zuvörderst für seine zugewandte Art und Menschenfreundlichkeit gewürdigt, für seine Führung durch Beispiel, nicht nur Predigt – ein früher Hinweis darauf, wofür er in Erinnerung bleiben wird. Und wofür nicht.
Ikone und Inspiration: „Mit Franziskus verliert die Welt ein leuchtendes Zeichen der Hoffnung, einen glaubwürdigen Anwalt der Menschlichkeit und einen überzeugenden Christen“, schrieb Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einem Kondolenzschreiben (übrigens an das Kardinalskollegium). Olaf Scholz pries Franziskus' Hinwendung zu den Schwachen. Kirche und Welt verlören „einen Fürsprecher der Schwachen, einen Versöhner und warmherzigen Menschen“.
Vorbild und Zeugnis: Friedrich Merz werden der Einsatz des Verstorbenen für die Schwächsten der Gesellschaft, für Gerechtigkeit und Versöhnung in Erinnerung bleiben. Mit seiner „Demut und Liebe für die weniger vom Glück Begünstigten“ habe er Millionen Menschen inspiriert, nicht nur Kirchenmitglieder, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Sein Vermächtnis führe hin zu einer „gerechteren, friedvolleren und mitleidsvolleren Welt“. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner erklärte, der Papst habe die Hoffnung verkörpert, dass Religion nicht trennen, sondern verbinden könne.
Wofür niemand Papst Franziskus würdigte: für kraftvolle innerkirchliche Reformen oder besonderes Interesse an Europa oder Deutschland. Nicht für überbordendes Augenmerk auf politische Wirksamkeit, nicht für Klarheit im Krieg gegen die Ukraine, nicht für eine Positionierung zur Hamas und nicht für respektvolle Sprache gegenüber Schwulen.
Die Kirche ist seit 2000 Jahren politisch. Wer das ändern wolle, habe „das Christentum vielleicht falsch verstanden“, sagte die frühere Bundesministerin und deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl, Annette Schavan, am Abend in der ARD.
„Nicht unbedingt“: Die Bundestagspräsidentin hat nicht nur von der Parteifreundin Widerspruch erhalten gegen ihre Kritik an politischer Parteinahme der christlichen Kirchen in Dingen, die Klöckner zur Sphäre des Weltlichen zählt. „Klar kann sich Kirche auch zu Tempo 130 äußern, aber dafür zahle ich jetzt nicht unbedingt Kirchensteuer“, sage sie in einem vor dem Papsttod erschienenen Bild-Interview.
Vollgas, linke Spur: Das öffnet natürlich Tür und Tor für ungefragten Rat. Warum die Steuerpflicht nicht auch infrage stellen, wenn einem etwas am Staat nicht passt? Gut für Klöckner, dass Linke die Debatte sogleich verlagerten, indem sie das Interview als „Maulkorb“ verstehen wollten und der Kirche so treu zur Seite sprangen wie Petrus, als er dem Malchus ein Ohr abhieb.
Klare Fronten: Die christlichen Kirchen in Deutschland haben ihre Autorität speziell bei Konservativen zuletzt dadurch mehrfachen Tests unterzogen, dass sie sich parteipolitisch als Fans von SPD und Grünen zu erkennen gaben. Zuletzt waren es allerdings keine Hinweise zum Tempolimit, sondern eine scharfe Warnung vor den migrationspolitischen Vorstellungen der Union, wenige Wochen vor der Bundestagswahl, über die CDU und CSU sich ärgerten.
Oberministranten: Von den Grünen war Fraktionschefin Britta Haßelmann eingeteilt, bei der SPD Ralf Stegner und vom Arbeitnehmer-Flügel der CDU dessen Vorsitzender Dennis Radtke, um das Recht der Kirchen zu verteidigen, sich einzulassen, wozu sie wollen, inklusive zur Tagespolitik. Ob sich Kirchen oder linkes Lager dann mehr darüber wundern werden, wo die Solidarität nun hin ist: Dafür warten wir die nächste Debatte über das Abtreibungsrecht ab.
Der Unions-Außenpolitiker Johann Wadephul sprach sich dafür aus, spätestens zum Jahresende zu überprüfen, ob ein Freiwilligenmodell für einen Aufwuchs in der Bundeswehr sorgen könne, wie es der Koalitionsvertrag vorsieht. Während die SPD noch über die Vereinbarung abstimmt, werden die in dem Dokument verborgenen Differenzen für alle sichtbar.
Bitte wie? Union wie SPD wiederholen recht oft ihr Bekenntnis, die schwere Last der Verantwortung mit Würde tragen zu wollen und die Zeiten richtig einschätzen zu können. Die Einsicht, dass das Konsequenzen über den Vertrag hinaus in der politischen Wirklichkeit haben könnte, sagte Wadephul nun für das Jahresende voraus.
Verbatim: Die Union habe eine Wehrpflicht gewollt, die SPD nicht, daher „werden wir jetzt noch mal einen ernsthaften Versuch mit der Freiwilligkeit machen“, sagte Wadephul der FAS. SPD-Chef Lars Klingbeil empfahl derweil eine Steigerung der Attraktivität eines freiwilligen Wehrdienstes, etwa durch die Aussicht darauf, einen Führerschein machen zu können.
Tiefgang
Wenn die 135 stimmberechtigten Kardinäle – das sind alle unter 80 Jahren – in ein paar Wochen zusammenkommen, um den Nachfolger des verstorbenen Papstes zu wählen, wird Franziskus’ Erbe allen präsent sein. Die Mehrheit stellen diejenigen, die in seinem Pontifikat zu Kardinälen ernannt wurden. Mehr als drei Viertel der Papstwähler wurden von Franziskus eingesetzt, die jüngsten erst im Dezember.
Er hat oft Männer in das hohe Amt berufen, die theologisch und kirchenpolitisch auf seiner Linie liegen. Die Wahl seines Nachfolgers hat er damit schon geprägt – in jedem Fall.
In der katholischen Kirche herrscht ein harter Kampf. Eine Zementierung des Kurses des Verstorbenen nehmen sich die im kirchenpolitischen und theologischen Sinne Liberalen vor. Das andere Lager sieht jetzt die Chance (manche: die letzte), das Pendel zurückschwingen zu lassen. Zurück zu einer konservativen Kirche – im Zweifel einer der Überzeugten, nicht der Vielen.
Der verstorbene argentinische Papst, der erste überhaupt aus Lateinamerika, hat die Verhältnisse in der Weltkirche verschoben, hin zur Welt, weg von Italien und Europa. Dort hat die Kirche ihren Sitz und dort hatte sie lange ihr Kraftzentrum. Aber Europas Kirchen schrumpfen. Diese Entscheidungen prägen die Wahl seines Nachfolgers.
Im Konklave stellen die Italiener weiter die größte einzelne Gruppe. Doch die spanischsprachigen Kardinäle aus Europa und Amerika sind zusammen mehr. Für die Gespräche, die ab jetzt bis vor Beginn der Wahlgänge stattfinden, spielen Sprache und Kultur eine große Rolle.
Die drei deutschen Papstwähler sind die Kardinäle Reinhard Marx, der Erzbischof von München und Freising, sein Kölner Amtsbruder Rainer Maria Woelki und Gerhard Ludwig Müller, der von Franziskus abgesetzte frühere Präfekt der Glaubenskongregation. Die drei sprechen gern, aber sicher nicht mit einer Stimme. Sie sind damit auch ein Bild für die Spaltung der europäischen Ortskirchen, jedenfalls ihrer Bischofskonferenzen.
Die Europäer stellen mehr als ein Drittel der Papstwähler. Wenn sie sich zusammentäten, wären sie eine nicht zu ignorierende Größe im Konklave, wo hart um Mehrheiten gerungen und eben Politik gemacht wird. Nur zarte Seelen würden das bestreiten; noch wenige solche wurden je Kardinal.
Von einer einheitlichen Linie sind die Europäer aber weit entfernt. „Wir sehen neue Spannungen, nicht nur zwischen Ost und West, sondern auch innerhalb der Gesellschaften in Polen und Ungarn“, sagte Marx vor ein paar Jahren im Interview. „Sie existieren auch innerhalb der Kirche.“
Damals war er als Vorsitzender der Kommission der europäischen Bischofskonferenzen mit der Suche nach einer gemeinsamen Linie in politischen und gesellschaftlichen Fragen betraut. Er selbst zählte zum engen Ratgeberkreis des Verstorbenen in Wirtschaftsfragen und wird nun während der Sedisvakanz eine herausgehobene Rolle haben, wenn das Kardinalskollegium den Betrieb Weltkirche am Laufen hält.
Papst Franziskus hatte ein kritisches Verhältnis zu Europa. Seine erste Rede zum Thema, im Europaparlament 2014, ließ die EU irritiert, geschockt zurück: „Man gewinnt den Gesamteindruck der Müdigkeit und der Alterung“, sagte er damals über Europa. Den Kontinent verglich er mit einer „Großmutter“, die „nicht mehr fruchtbar und lebendig ist“. Er nahm davon nicht viel zurück, auch nicht, als ihm zwei Jahre darauf der Aachener Karlspreis verliehen wurde und die gesamte EU-Spitze dafür nach Rom pilgerte.
Die polnischen und andere Bischöfe aus Zentral- und Osteuropa sind in Fragen von Gesellschaft, sexueller Selbstbestimmung, Abtreibung und Familienpolitik wiederum näher an Afrikanern als etwa an Marx. Müller, ein Wortführer der Rechten, outete sich vor wenigen Wochen als Trump-Fan und gab im Gespräch mit dem Corriere della Sera an: „Viele Kardinäle und Bischöfe denken wie ich, auch wenn sie Angst haben, es zu sagen.“
Von einem „Trumpistischen“ Papst träumen konservative Kreise bereits und davon, dass ein vibe shift auch die Kirche erreicht und ihnen zur Chance verhilft, ihre Anliegen jetzt durchzusetzen. Der Bruch könnte nicht größer sein.
Franziskus wollte, dass die Kirche „an den Rändern“ tätig ist, in Solidarität mit den Schwachen und in einer lateinamerikanischen Tradition einer den Menschen und ihren Nöten menschlich zugewandten Kirche. Gemeindepfarrer-Vibes strahlte er absichtlich aus, ging sehr weit darin, Liturgie wie auch den eigenen Auftritt schlicht zu gestalten.
Das war es, was in vielen Abschiedsworten hervorgehoben wurde. Franziskus' Botschaften gerieten manchmal allerdings ähnlich schlicht. Wenn er zum Frieden aufrief, aber nicht den Aggressor benannte; als er im Dezember an einer Weihnachtskrippe betete, in der das Jesuskind auf einer Kufiya gebettet war.
Im besten Falle war er sich der politischen Macht eines Papstwortes nicht immer bewusst. Bei der Wahl eines Nachfolgers treffen die Kardinäle auch die Entscheidung, wie politisch die katholische Kirche unter dem nächsten Papst sein will – und wie relevant in welchem Teil der Erde.
Fast übersehen
Abschiedbesuch für Kukies: In Washington beginnt heute die Frühjahrstagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds. Aus Deutschland nehmen der geschäftsführende Bundesfinanzminister Jörg Kukies (SPD) und Bundesbankchef Joachim Nagel teil. Die Frage dort ist die Frage aller derzeitigen Fragen: Ob sich die globale Konjunktur gegen alle Anstrengungen der USA noch retten lässt.
Zoll-Verhandlungen: Das werden einige Delegationen, die in dieser Woche erwartet werden, auch im direkten Gespräch mit der Regierung Trump versuchen; der Präsident selbst hat beizeiten mitgeteilt, wie er sich dies vorstellt: „Ich sage Ihnen, diese Länder rufen uns an und küssen mir den Hintern.“ Die erste Regierungschefin, die, soweit bekannt, ohne derlei Kuss, aber zunächst auch ohne greifbare Ergebnisse wieder zurückkam, war Ende der vergangenen Woche die italienische Premierministerin Giorgia Meloni.
Wissing, umworben: SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil hat den nunmehr parteilosen geschäftsführenden Verkehrsminister Volker Wissing zum Eintritt in die SPD eingeladen. Er sehe das frühere FDP-Mitglied als einen „klassischen Sozialliberalen“ an, sagte Klingbeil den Funke-Zeitungen. Für so einen sei die Tür immer offen.
Zeugenprogramm: Wissing ist seit dem Rauswurf der FDP aus der Ampel durch den bald vormaligen Bundeskanzler dessen Kronzeuge dafür, dass nicht die SPD, sondern die FDP die Schuld am Ende und sogar am Scheitern der Ampel trage.
Noch einmal Klöckner: Die Bundestagspräsidentin hat erkennen lassen, dass sie der zweitgrößten Fraktion, der AfD, nicht zum zweitgrößten Fraktionssaal im Reichstagsgebäude verhelfen wird, zu dem SPD eine emotionale Bindung reklamiert. Sie werde zwischen beiden Fraktionen „vermitteln“, sagte sie in dem Bild-Interview.
Überlegungen zum Ausgang dieser Übung: Die SPD sei schließlich in der Regierung, sagte Klöckner, und daher werde sie „– anders als die AfD – auch Beamte, Bedienstete dabei haben“. Entschieden wird die Frage im Ältestenrat, wo die SPD von der Union Unterstützung erwartet unter der Drohung, andernfalls „Brandmauer“ zu rufen.
Unter eins
Unterhändler der USA, der Ukraine, Großbritanniens und Frankreichs treffen nach Angaben des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij am Mittwoch in London zu neuen Beratungen zusammen
Zu guter Letzt
Die Suche nach dem nächsten Papst beginnt mit der Definition des Anforderungsprofils, das wird nach aller Erfahrung und laut Auskunft leitender Kirchenmänner auch dieses Mal gelten. Reformer, Konsolidierer, Übergangspapst, Moderator, einer, der Kirche „pur“ verspricht? Kardinal Marx machte den Anfang.
Nötig sei eine Person, die eine Weltgemeinschaft zusammenführen könne, sagte er. Menschen von New York bis Südafrika, von Bangkok bis Rio de Janeiro, von München bis zum Nordkap. Da brauche es auch nach Franziskus wieder eine Persönlichkeit, „die groß ist, die frei ist, die stark ist“, sagte er. Und setzte im ZDF Heute Journal den Seufzer hinterher, den alle in Personalverantwortung nur zu gut kennen: „Hoffentlich finden wir jemanden.“