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Nutzungsrechte erwerbenGuten Morgen. Der 20. Bundestag hat auf seine alten Tage noch ordentlich Überstunden geschoben, als gestern Mittag der Haushaltsausschuss in einer außerordentlichen Sitzung zusammenkam. Getagt wurde bis in den frühen Abend. Einziger Tagesordnungspunkt: der geänderte Gesetzentwurf zur Schuldenbremse, vorgelegt von Union, SPD und Grünen.
Mit der Zustimmung der Grünen vom Freitag sind die meisten Hürden abgeräumt auf dem Weg zur abschließenden Lesung morgen im Bundestag. Auch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat nichts dagegen, dass man mit der Änderung des Grundgesetzes so verfährt.
Ein letzter Fallstrick bleibt, am Ende dieser erneut spannenden Woche im politischen Berlin: Der Bundesrat kann am Freitag den ganzen schwarz-roten Plan noch vereiteln; in Bayern bleibt Markus Söders Juniorpartner Hubert Aiwanger bislang stur.
Willkommen am Platz der Republik.
Was wichtig wird
Nach stundenlangen, nach Teilnehmerangaben hitzigen Diskussionen hat die geplante Änderung des Grundgesetzes am Abend den Haushaltsausschuss passiert. Die Abgeordneten sprachen am Ende der Sitzung mehrheitlich eine Beschlussempfehlung aus – der Gesetzentwurf in geänderter Fassung soll morgen im Plenum verabschiedet werden. Um die notwendigen Beratungsfristen der Abgeordneten einzuhalten, musste der Ausschuss am Wochenende außerordentlich tagen.
Was beschlossen wurde: Nach der Einigung mit den Grünen vom Freitag haben CDU, CSU und SPD einen Änderungsantrag zu ihrem Gesetzentwurf vorgelegt, der nun die Beratungsgrundlage war. Neben der Reform der Schuldenregel soll im Grundgesetz die Einrichtung eines Sondervermögens in Höhe von 500 Milliarden Euro „für zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur und für zusätzliche Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2045“ ermöglicht werden. Die Aufnahme der Zusätzlichkeit war eine der Bedingungen der Grünen für ihre Zustimmung, ebenso wie 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds.
Was noch ansteht: Da es sich bei der geplanten Änderung des Grundgesetzes um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, ist die am Freitag anstehende Abstimmung im Bundesrat essenziell für das endgültige Gelingen des schwarz-roten Finanzprojektes. Doch der Juniorpartner der CSU in Bayern, die Freien Wähler, wollen bislang nicht zustimmen. Ohne die sechs Stimmen der Bayern im Bundesrat wird es jedoch eng für die Reform. Die bayerische SPD hat unterdessen der CSU angeboten, in die Staatsregierung einzutreten. Damit wäre „ein klares Ja Bayerns im Bundesrat garantiert“, sagte Bayerns Landtags-Vizepräsident Markus Rinderspacher (SPD) dem Tagesspiegel.
Derweil im Konrad-Adenauer-Haus: Während die Haushaltspolitiker des alten Bundestages ihren Dienst taten, arbeiteten die 256 Mitglieder der 16 Arbeitsgruppen weiter an einem Koalitionsvertrag für Union und SPD. Gestern Abend sollten die ersten Entwürfe an die übergeordneten Gruppen gehen, bis zum 24. März soll der Koalitionsvertrag vorläufig stehen – einen Tag, bevor sich der neue Bundestag konstituiert.
Die Grünen haben in den vergangenen zehn Jahren das deutsche Parteiensystem aufgebohrt, vor der Bundestagswahl 2021 lagen ihre Umfragewerte über 25 Prozent – noch vor Union und SPD. Seither aber geht es bergab, bei der jüngsten Bundestagswahl holten sie nur noch 11,6 Prozent. Im Bundestag haben die Grünen nicht nur 33 von 118 Sitzen verloren, sondern mit den Regierungsämtern auch Posten, Einfluss und Macht.
Es wäre also eigentlich Zeit für eine kritische Analyse. Doch seit die Grünen Union und SPD in den Verhandlungen zur Schuldenbremsen-Reform vergangene Woche vor sich hertrieben, seit sie es auf den letzten Metern der Legislatur geschafft haben, die Klimaneutralität wohl doch noch im Grundgesetz zu verankern und obendrein viele Milliarden für den Klimaschutz aushandelten – seitdem hat sich die Stimmung in der Partei gedreht. Die Grünen sind in diesen Tagen kaum wiederzuerkennen.
In der Partei wird gerade die Macht neu verteilt. Der Rückzug von Annalena Baerbock und Robert Habeck aus der ersten Parteireihe haben beim Spitzenpersonal ein Loch gerissen. Der Streit mit Merz aber schälte in den vergangenen Tagen heraus, wo ein neues Kraftzentrum der Grünen liegen wird: Nach ihrer starken Rede am vergangenen Donnerstag im Plenum ist Katharina Dröge zusammen mit Britta Haßelmann endgültig als Spitzenduo in der Fraktion gesetzt.
Das Stimmungshoch könnte jedoch schon bald abflauen. Denn es sind harte Personalentscheidungen zu treffen; der Ansturm auf die rar geworden Posten ist groß. Neben der Amtsinhaberin Katrin Göring-Eckardt will etwa auch Omid Nouripour bei der Wahl der Fraktion für den Posten des Bundestagsvizepräsidenten antreten. Beide haben Bewerbungsschreiben eingereicht. Eine Kampfkandidatur in der Fraktion um solche Posten hatte es lange nicht gegeben. Mehr in der SZ von Markus Balser und Vivien Timmler.
Während die einen an der neuen Regierung feilen und die anderen sich Kraft strotzend auf die Arbeit in der Opposition vorbereiten, muss die FDP ganz von vorne anfangen mit dem Wiederaufbau der Partei. Nach der krachenden Niederlage bei der Bundestagswahl hatte Parteichef und Spitzenkandidat Christian Lindner das Feld geräumt.
Das Ziel ist die Rückkehr in den Bundestag: Sein Nachfolger will der Vorsitzende der Fraktion im Bundestag, Christian Dürr, werden. „Manche sagen, es sei nicht die Zeit für liberale Politik. Dabei brauchen wir wirtschaftliche und gesellschaftliche Freiheit mehr denn je", teilte Dürr am Sonntagabend auf X mit. Er wolle dazu beitragen, dass die FDP stark zurückkehrt und bewerbe sich deshalb um den Parteivorsitz.
„Junge, frische Persönlichkeit“ gesucht: Seit dem Rückzug Lindners hatte es bislang nur Spekulationen darüber gegeben, wer dessen Nachfolge antreten soll. Zuerst waren die FDP-Europapolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki für den Vorsitz gehandelt worden. Strack-Zimmermann hatte aber schnell deutlich gemacht, dass sie zwar bereit sei, die Partei wieder mit aufzubauen. Sie befand aber, dass die Führung der Partei von „einer jungen und frischen Persönlichkeit“ übernommen werden sollte. Dürr wird morgen 48 Jahre alt.
Tiefgang
Im Wahlkampf hatte sich die Linke mit Positionen zu außenpolitischen Fragen auffällig zurückgehalten. Die Partei konzentrierte sich ganz auf Innenpolitisches, wie soziale Gerechtigkeit und bezahlbares Wohnen. Als es zuletzt um die Möglichkeit ging, dass die Linke mit der AfD im neuen Bundestag Mehrausgaben für das Militär per Sperrminorität verhindert, kam man im Karl-Liebknecht-Haus jedoch nicht mehr um das Thema herum.
Jan van Aken ist seit Oktober 2024 Bundesvorsitzender der Linken. Zuvor war der promovierte Biologe Biowaffeninspekteur für die UN. 2022 war er für zwei Jahre Referent für internationale Konflikte bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Tel Aviv. Im Interview mit SZ Dossier macht er einen sehr ungewöhnlichen Vorschlag zur Lösung des Ukraine-Konflikts: UN-Blauhelme aus China.
„Drei Jahre Waffenlieferungen haben uns keinen Millimeter näher an den Verhandlungstisch gebracht“, sagt van Aken. Es müsse vielmehr darum gehen, Putin an den Verhandlungstisch zu bekommen. Aber wie? „Die Europäer sollten endlich auf China eingehen. Peking hat Anläufe gemacht.“ Er sehe es nicht so, dass sich Xi Jinping klar auf Putins Seite geschlagen habe.
„Was Russland gemacht hat, sieht auch Peking als völkerrechtswidrig an“, sagt der Parteichef der Linken. Auch Peking wolle, dass der Krieg beendet wird. Europa sollte sich deshalb überlegen, auf ein mögliches Angebot aus China einzugehen. „Solange Europa sich da nicht bewegt, wissen wir auch nicht, was dabei herauskommen könnte.“
Sogar bei den für die Ukraine so wichtigen Sicherheitsgarantien könnte China ein Teil der Lösung sein, glaubt van Aken. „China versucht seit Jahren, sein außenpolitisches Gewicht gerade über UN-Blauhelme zu stärken, es stellt mittlerweile die meisten Blauhelmsoldaten.“ Es gehe aus van Akens Sicht nicht darum, dass die Chinesen die Ukraine gegen Russland verteidigen. „Das werden sie nicht tun.“ Er könne sich das Land aber als neutraler Beobachter in der Waffenstillstandslinie vorstellen: „Die Russen werden garantiert nicht auf die Chinesen schießen.“
Der Linke ist sich sicher, dass es im Ukraine-Konflikt nicht zu einer direkten Konfrontation zwischen den Nato-Staaten und Russland kommen wird. Nach drei Jahren Krieg habe man gesehen, dass beide Seiten alles dafür getan haben, dies zu verhindern. Alles andere hieße Atomkrieg. „Das wird nicht passieren, das wäre komplett irrational.“
Dass das einzig an den amerikanischen Sicherheitsgarantien lag, die unter dem US-Präsidenten Trump womöglich jedoch nichts mehr wert sind, will van Aken nicht gelten lassen: „Europa braucht die amerikanischen Sicherheitsgarantien nicht.“ Die europäischen Staaten geben laut dem Linken 430 Milliarden Euro fürs Militär aus, Russland 300 Milliarden kaufkraftbereinigt.
„Uns geht ja gar nicht darum, dass wir uns gar nicht verteidigen sollen“, so van Aken. Aber Deutschland brauche zur Verteidigung gegen Russland beispielsweise keine Fregatten, die 365 Tage keinen Heimathafen anlaufen müssen. „Mehrere hundert Milliarden Euro mehr für Aufrüstung – das hat nichts mehr mit Landesverteidigung zu tun.“ Felix Lee, Elena Müller
Fast übersehen
„Reichsbürger“ rotten sich zusammen: Bei einer Demonstration in Schwerin haben sich am Sonntag rund 600 Personen der sogenannten Selbstverwalter- und Reichsbürger-Szene versammelt. In deren Ideologie ist das deutsche Kaiserreich nie untergegangen; sie lehnen deshalb Justiz, Behörden und Gesetze der Bundesrepublik ab.
Schwesig warnt vor Gefährlichkeit: Die Demonstranten sahen sich rund 250 Gegendemonstranten gegenüber, eine von ihnen war Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie warnte davor, die Szene zu unterschätzen, wie der Deutschlandfunk berichtet. Einige der Personen gelten als gewaltbereit, Landesinnenminister Christian Pegel sagte dem NDR, einige von ihnen meinten, sie könnten sich gegen Polizeiaktivitäten wehren.
Konsequenzen beim RBB: Die Spitze des öffentlich-rechtlichen Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat nach der fehlerhaften Berichterstattung über den Grünen-Bundestagsabgeordneten Stefan Gelbhaar ihr Amt niedergelegt. Chefredakteur David Biesinger und Programmdirektorin Katrin Günther haben ihren Rücktritt eingereicht.
„Programmlich versagt“: Ein Neuanfang an der Spitze der Chefredaktion solle dazu beitragen, die publizistische Reputation des RBB wieder herzustellen, sagte Biesinger nach Angaben des Mutter-Senders ARD. Günther sagte, der Sender habe in diesem Fall „insgesamt programmlich versagt“.
Berichte zurückgezogen: Der RBB hatte Teile seiner gegen Jahresende 2024 veröffentlichten Berichte über Belästigungsvorwürfe gegen Gelbhaar zurückgezogen. Der Sender musste zugeben, dass seine Hauptbelastungszeugin gar nicht existiert.
Unter eins
EVP-Chef Manfred Weber sagte der Welt, die EU müsse in ihrer Verteidigung unabhängiger und effizienter werden und forderte einen europäischen Generalstabschef
Zu guter Letzt
Ein Grüner werde er sicher nicht, sagte CDU-Partei- und Fraktionschef Friedrich Merz der Bild am Sonntag. Aber Kanzler will er werden. Wie sich das Regierungs-Jetset anfühlt, hat er schon geübt: Elf Mal ließ er sich in den vergangenen zwölf Monaten von der Flugbereitschaft der Bundeswehr zu Terminen ins Ausland fliegen. Das geht aus einer Antwort des Verteidigungsministeriums auf eine Anfrage des amtierenden Linke-Fraktionschefs Sören Pellman hervor. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hatte zuerst darüber berichtet.
Insgesamt griff Merz nach RND-Recherchen in der zurückliegenden Legislaturperiode 30 Mal auf die Dienste der Flugbereitschaft zurück. Hinzu seien weitere acht „Bereitstellungsflüge“ gekommen, die nötig waren, um Maschinen und Crews vom Luftwaffen-Standort Köln-Wahn nach Berlin zu bringen. Laut einer Fraktionssprecherin sei die „Inanspruchnahme stets gemäß den Richtlinien für den Einsatz von Luftfahrzeugen der Flugbereitschaft erfolgt“.