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Aufschub für Europa

Mittwoch, 19. Februar 2025

Guten Morgen. Wer seine Stimmen per Brief abgeben will, sollte sich möglichst bald darum kümmern. „Wir appellieren an die Briefwählerinnen und Briefwähler, ihre Stimmabgabe per Brief spätestens bis Donnerstag auf den Weg zu bringen“, sagte Marc Hitschfeld, Betriebschef der Deutschen Post. Die vorgezogene Briefwahl bezeichnete er als „Kraftakt“, den die Post aber sehr gut gemeistert habe.


Auch Briefe, die erst am Freitag oder gar Samstag eingeworfen werden, könnten es rechtzeitig schaffen, da wegen der Bundestagswahl eine „Sonderlogistik“ eingerichtet wird. Zugestellt wird in den Wahlämtern ausnahmsweise auch am Sonntag. Garantieren könne die Post das aber nicht. Wer sichergehen will und am 23. Februar verhindert ist, kann auch bereits vor Ort wählen: Dafür gibt es verschiedene Briefwahlstellen, die auf der Wahlbenachrichtigung aufgelistet sind.


Derweil melden die Betreiber des Wahl-O-Mat einen neuen Rekord: Bis Montagabend wurde das Online-Tool der Bundeszentrale für politische Bildung mehr als 21,5 Millionen Mal angefragt. 2021 waren es insgesamt 21,3 Millionen Nutzungen.


Willkommen am Platz der Republik.

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Was wichtig wird

1.

Europa erhält möglicherweise Zeit, auf eine Beteiligung an den Verhandlungen um die Zukunft der Ukraine hinzuarbeiten: Die Gespräche zwischen den USA und Russland in Saudi-Arabien gingen ohne konkrete Ergebnisse zu Ende, berichtet Michael Radunski von unserem Dossier Geoökonomie. Die EU kann jetzt deutlich machen, dass sie eine entscheidende Rolle für den Erfolg des Friedensprozesses spielen kann.


Europa gewinnt Zeit: Die Gelegenheit dazu nutzte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Treffen mit dem Ukraine-Sonderbeauftragten der US-Regierung, Keith Kellogg. „Finanziell und militärisch hat Europa mehr beigetragen als jeder andere. Und wir werden noch mehr tun“, schrieb die Kommissionschefin auf X. Kellogg gegenüber habe sie bekräftigt, „dass jede Lösung die Unabhängigkeit, Souveränität und territoriale Integrität der Ukraine respektieren müsse, gestützt auf starke Sicherheitsgarantien“.


Ein „wichtiger Schritt“ ohne Ergebnis: Rund viereinhalb Stunden haben sich US-Außenminister Marco Rubio und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow in Riad getroffen. Beide sprachen anschließend von einem wichtigen Schritt, die russische Seite gar von Vorbereitungen für ein Treffen von Trump mit Putin. Trump kann sein Versprechen einer schnellen Friedenslösung vermutlich nicht einlösen.


Knackpunkt Sicherheitsgarantien: Die USA wollen keine Truppen zur Friedenssicherung entsenden, sodass Europa in der Pflicht steht. Von der Leyen sicherte Kellogg zu, „die Verteidigungsproduktion und -ausgaben zu erhöhen und sowohl die europäischen als auch die ukrainischen militärischen Fähigkeiten zu stärken“. An einer Frage wird man aber nicht vorbeikommen: Welches Land ist bereit, eigene Truppen in die Ukraine zu schicken?


EU statt Nato? Eine interessante Aussage kam dann noch vom Kreml-Sprecher. Demnach habe Russland keine Einwände gegen einen EU-Beitritt der Ukraine – im Gegensatz zu einem Beitritt zu Militärbündnissen. Es ist eine weitere Frage, die den Druck auf Europa erhöht.

2.

Während sich in Riad die Außenminister Russlands und der Vereinigten Staaten getroffen haben, ging die deutsche Debatte einen Schritt weiter: Wie könnte eine mögliche Friedenssicherung in der Ukraine aussehen? Bundeskanzler Olaf Scholz sprach unlängst von einer Debatte, die „höchst unangemessen“ und „völlig verfrüht“ sei. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz äußerte sich im TV-Quadrell ähnlich. Dass die Zeit drängt, darin sind sie sich aber einig in der CDU. Henrike Roßbach und Sina-Maria Schweikle berichten in der SZ.


Deutschland unersetzbar: „Die USA lösen gerade die Weltordnung auf, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg so erfolgreich geschaffen haben, und zwar indem sie die gemeinsame Wertebasis aufkündigen“, sagte CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen. „Uns Europäer bringt das an den Abgrund, allerdings auch infolge eigener Untätigkeit.“ Deutschland habe jetzt für Europa eine unersetzbare Rolle: „Nach dem nächsten Sonntag muss es schnellstmöglich eine handlungsfähige Regierung geben.“


Noch keine Stationierung: CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul sagte, es sei notwendig, dass Europa jetzt die Initiative ergreife, um einen Beitrag zu möglichen Sicherheitsgarantien in einem Nachkriegsszenario zu definieren: Deutschland werde auch in Zukunft einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit der Ukraine leisten. Eine Unterstützung für die Stationierung deutscher Soldaten auf ukrainischem Boden sehe Wadephul aber nicht: „Denn zum einen ist weder ein UN-Mandat in Sicht, noch wäre eine Reduzierung der geplanten Litauen-Brigade verantwortbar.“


Personalprobleme: Die Bundeswehr sei derzeit mit mehreren Herausforderungen konfrontiert und habe Schwierigkeiten, selbst kleinere Missionen wie die Stationierung einer Brigade in Litauen mit rund 5000 Uniformierten personell und materiell zu stemmen. Angesichts der etwa 2000 Kilometer langen russisch-ukrainischen Grenze wäre die Absicherung eine anspruchsvolle Aufgabe: Sicherheitsexpertin Claudia Major von der Stiftung Wissenschaft und Politik schätzt, dass für eine glaubwürdige Abschreckung Russlands mindestens 150 000 Soldatinnen und Soldaten erforderlich wären.


Das Spiel Moskaus: Außenministerin Annalena Baerbock, die sich im Dezember für den Fall eines Waffenstillstands noch offen zeigte, deutsche Soldaten zur Friedenssicherung in die Ukraine zu senden, sagte gestern im ZDF, sie halte die aktuelle Diskussion über Friedenstruppen für falsch: „Warum spielen wir das Spiel der Russen mit? Warum spielen wir das Spiel mit, wo die US-Administration nicht so richtig klarmacht, auf welcher Seite sie eigentlich spielt?“

3.

In einem Video auf Instagram rufen Prominente rund um die Klimaaktivistin Luisa Neubauer dazu auf, am kommenden Sonntag wählen zu gehen. Erzählt wird darin die Geschichte eines Waldbrandes, berichtet Tim Frehler. Neubauer, Protagonistin und Erzählerin, stapft durch einen Wald, geht an einem brennenden Stuhl vorbei – und begegnet einer Person mit einem Kanister, einem Mann in Manageroptik: den Brandstiftern also. Und denen, die sich abwenden von der doch so offensichtlichen Krise. Soweit die Metapher.


Promis gegen Brandstifter: Aber, sagt Neubauer in dem Video: „Wir sind viele.“ Dann werden die Gesichter der weiteren Unterstützerinnen und Unterstützer eingeblendet. Die Schauspielerin Sandra Hüller ist dabei, die Beachvolleyball-Olympiasiegerin Laura Ludwig oder Marcel Fratzscher, Präsident des Instituts der Deutschen Wirtschaft. „Demokratie und Klima retten wir nur zusammen“, lautet der Aufruf kurz vor Ende des Videos. Der Clip zeige, „die Katastrophe ist da. Aber wir sind viele. Wir können uns wehren. Wir können stärker sein als die Brandstifter“, sagte Neubauer SZ Dossier.


Die Bilanz: Der Wahlkampf bislang sei „beschämend gewesen“, sagte Neubauer. „Da bewirbt man sich darum, dieses Land durch die Krisen der Zukunft zu führen und übersieht ohne Not die größte Krise, die jeden Bereich unseres Lebens betreffen wird. Und das ist die Klimakrise.“ Dabei, so Neubauer, hätte es jeden Tag Anlässe gegeben, darüber zu sprechen. Die Brände in Los Angeles zum Beispiel. Dass man nicht über das Klima gesprochen habe, sei der Versuch gewesen, „die Menschen für dumm zu verkaufen“. Paradoxerweise sei das Thema ja auch oft auf der Tagesordnung gewesen, „allerdings immer unter der Überschrift: Warum ist Klima nicht auf der Tagesordnung?“.


Wer die Tagesordnung schreibt: Was die „allermeisten“ Kandidaten und weitreichend auch Medien betreffe, sei das „kollektives Versagen“, sagte Neubauer. Dass nicht über das Klima diskutiert wurde, weil Migration und innere Sicherheit den Wahlkampf überlagert haben, will Neubauer nicht gelten lassen. „Themen sind nicht einfach Themen“, sondern würden dazu gemacht, sagte sie. Sich gewissermaßen ohnmächtig danebenzustellen und zu sagen, diese Themen seien jetzt nun einmal auf der Tagesordnung, also müsse man dem folgen, „leugnet die Verantwortung, die Diskursbeteiligte haben“, sagte Neubauer.

4.

Sechs von zehn Deutschen glauben nicht, dass die EU im Falle eines militärischen Angriffs verteidigungsfähig wäre. Das zeigt eine repräsentative Umfrage von YouGov für SZ Dossier. Nur 24 Prozent der Befragten gehen demnach davon aus, dass die EU sich im Angriffsfall verteidigen könnte.


Einheitliches Bild: Bei den Anhängerinnen und Anhängern der Parteien zeigt sich ein recht einheitliches Bild. Insgesamt sind sich alle einig, dass die EU nicht verteidigungsfähig wäre. Wählerinnen und Wähler von Union, AfD und FDP stimmen der These noch etwas stärker zu als jene von Grünen, SPD und Linken.

Könnte sich die EU im Angriffsfall verteidigen?
in Kooperation mitYouGov

Interessant: YouGov hat die Frage in der vergangenen Woche auch in Bezug auf Deutschland gestellt. Die Zahlen waren deutlich schlechter: 77 Prozent der Befragten antworteten, dass Deutschland nicht verteidigungsbereit sei. Nur 13 Prozent sagten hingegen, dass Deutschland im Angriffsfall verteidigungsbereit wäre. Neun Prozent konnten oder wollten sich nicht äußern.

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Tiefgang

Die Europäer müssen selbst für die Sicherheit der Ukraine und damit der EU sorgen, weil die USA sie im Stich lassen. Damit schiebt sich die Frage in den Vordergrund: Welche europäischen Armeen – oder welche europäische Armee – sollen sich als Bollwerk der russischen Militärmaschinerie entgegenstellen? Politiker und Expertinnen diskutieren schon lange über eine gemeinsame europäische Verteidigung. Dieses vage Konzept muss es nun in Rekordzeit in die Realität schaffen.


Teilbündnisse als Lösung: Der einzig gangbare Weg ist derzeit eine Koalition der Willigen, die mit gemeinsamen Projekten vorangeht. Während eine gesamteuropäische Armee noch Jahrzehnte entfernt ist, seien freiwillige Kooperationen eine realistische Option, sagt Stefan Bayer, Professor an der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr Hamburg. „Gruppen einzelner Länder, die gemeinsame Verteidigungsstrukturen aufbauen, können das derzeit existierende Vakuum füllen.“


Vorbild Pesco: Ansätze dafür gibt es bereits: die EU-Verteidigungsinitiative „Ständige Strukturierte Zusammenarbeit“. Unter ihrem englischen Akronym ist sie als Pesco bekannt, das steht für „Permanent Structured Cooperation“. Es gibt sie seit 2017. Bayer sieht sie als Blaupause für das Zusammenrücken europäischer Armeen für gemeinsame Einsätze. Länder, die an Pesco teilnehmen, müssen konkrete Zusagen bei Verteidigungsausgaben, Planung und Zusammenarbeit einhalten. Sie sind rechtlich bindend.


Entwicklung gemeinsamer „Fähigkeiten“: Pesco bietet einen Rahmen, um militärische Fähigkeiten koordiniert zu planen und zu entwickeln – mit direktem Bezug auf EU-Missionen. Seit 2017 sind mehr als 60 Projekte gestartet, einige bereits abgeschlossen. Mit einer „Fähigkeit“ ist beispielsweise die Möglichkeit gemeint, Soldaten und ihre Waffen schnell europaweit zu verlegen. Unter Pesco haben sich verschiedene EU-Mitgliedstaaten in ganz unterschiedlichen Konstellationen zusammengefunden:


– Kampfroboter: Im Projekt zur Entwicklung eines „integrierten unbemannten Bodensystems“ geht es um Roboterplattformen, die Bodentruppen unterstützen sollen. Unter der Führung von Estland sind Belgien, Deutschland, Finnland, Frankreich, Lettland, die Niederlande, Polen, Spanien, Tschechien und Ungarn dabei.


– Hubschrauberpilotenausbildung: Im „Helicopter Hot and High Training“ sind unter Leitung von Griechenland nur Italien und Rumänien versammelt. Pesco bedeutet also: Jeder darf, keiner muss. Diese Offenheit ist die Voraussetzung dafür, dass in Europa überhaupt etwas funktioniert.


Doch der Weg vom bunten Treiben der Pesco zu einer gemeinsamen Ukraine-Truppe ist weit. Bayer hat Zweifel, dass Kontingente einzelner europäischer Länder diese Aufgabe bewältigen könnten, und hält es daher für nötig, zusätzlich die Ukraine zu befähigen, sich selbst zu verteidigen. Hilfen für Kyiv hält er auch nach einem Friedensschluss für gut investiertes Geld.


Auch wenn Experten wie Bayer seit Jahrzehnten auf die Notwendigkeit einer wirksamen europäischen Verteidigung hinweisen, wurde die Gemeinschaft nun auf dem falschen Fuß erwischt. Wie lässt sich die Lage für die Zukunft verbessern? Ausgehend von kleinen Ansätzen für gemeinsame Einheiten könnten sich größere Verbünde von Ländern bilden, die zusammen Brigaden aufstellen, ausrüsten und finanzieren.


Europäische Brigaden: Ein erster Ansatz sind das 1. Deutsch-Niederländische Corps oder Eurokorps. Eurokorps verbindet Truppen aus Deutschland, Frankreich, Belgien, Spanien, Luxemburg und Polen, wobei eine erste Liste von kooperationswilligen Ländern bereits feststeht. In der Selbstdarstellung handelt es sich um „Streitkräfte für die EU und die Nato“ – genau das, was gebraucht wird. Bisher handelt es sich um eine Führungsgruppe von 1100 Soldaten, die 60 000 Soldaten befehligen können.


Was es vorerst nicht geben wird: eine europäische Armee. Die Idee einer europäischen Armee wird seit den 1950er-Jahren diskutiert, bleibt aber laut Militärexperte Bayer eine „Chimäre“. Eine Realisierung ist auch nach allem, was passiert ist, unwahrscheinlich. Denn die Gründung einer gemeinsamen Armee benötigt die Zustimmung aller Mitgliedstaaten – „und die wird es derzeit nicht geben“. Es reicht, wenn die Slowakei und Ungarn dagegen stimmen – und das Projekt scheitert.


Egoismus und Ineffizienz als Problem: Die Mitgliedstaaten haben zudem völlig unterschiedliche Prioritäten, um sich auf einen gemeinsamen Auftrag zu einigen. Außerdem müssten sie ihre Budgethoheit aufgeben. Sie müssten sinnvolle gemeinsame Ausrüstung zum besten Preis beschaffen, statt ihre nationale Industrie zu bevorzugen.


Durch diese zersplitterte Beschaffung geht riesiges Sparpotenzial verloren. Es gibt derzeit in Europa 17 Hersteller von Kampfpanzern. Für eine gesunde Konkurrenzsituation würden drei reichen. Eine Konsolidierung ist fällig – wie auch eine gemeinsame Beschaffung. Finn Mayer-Kuckuk

Fast übersehen

5.

Gute Nachrichten: Deutschland bleibt trotz der anhaltenden Krise die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) summierte sich das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr auf umgerechnet 4,66 Billionen Dollar. Damit wurde das lange Zeit drittplatzierte Japan das zweite Jahr in Folge auf den vierten Platz verwiesen. Auf Rang eins und zwei liegen die USA mit 29,7 und China mit 18,9 Billionen Dollar. Mittelfristig könnte Deutschland jedoch von Indien verdrängt werden.


Schlechte Nachrichten: Der Autozulieferer Continental kommt nicht aus der Krise und muss weitere Stellen streichen. Bis Ende 2026 sollen weltweit 3000 Jobs in Forschung und Entwicklung wegfallen, teilte Continental gestern mit, 1450 davon in Deutschland. Wie Paulina Würminghausen hier berichtet, hatte das Unternehmen bereits vor einem Jahr mehr als 7000 Kürzungen in der Automotive-Sparte angekündigt, die zu 80 bis 90 Prozent umgesetzt seien. Der Umsatz wachse nicht so stark, wie man sich ausgemalt habe, hieß es.

6.

Standort in Gefahr: Die ökonomischen Vorschläge der AfD sind hochproblematisch für die deutsche Volkswirtschaft. Das ist das Ergebnis einer Studie des IW, die gestern veröffentlicht wurde. Darin haben die Fachleute die Auswirkungen der AfD-Ideen insbesondere in den Bereichen Steuer- und Europapolitik, Fachkräftesicherung und Transformationspolitik untersucht. Das IW gilt als arbeitgebernah, die Studie ist im Auftrag der Unternehmensinitiative „Vielfalt ist Zukunft“ entstanden.


Ergebnis: Die Steuersenkungen, wie sie die AfD in ihrem Wahlprogramm vorschlägt, kosten jährlich 181 Milliarden Euro. Laut dem Gutachten würden sie die Wirtschaft zwar stark entlasten, gleichzeitig wäre aber die Funktionsfähigkeit des Staates „empfindlich eingeschränkt“. Außerdem seien die Pläne – wie bei anderen Parteien – nicht gegenfinanziert. Einsparungen etwa in der Asylpolitik, beim Bürgergeld und in der Klimapolitik könnten die Löcher nicht stopfen. Auch weil die AfD das Rentenniveau auf 70 Prozent des letzten Nettoeinkommens anheben will. Die AfD steche daher mit „einem besonders unausgewogen finanzierten Wahlprogramm“ heraus.


Besonders gefährlich seien laut IW Forderungen der AfD nach einem Austritt Deutschlands aus dem Euro, wie er auch im aktuellen Wahlprogramm zu finden ist. Und obwohl die AfD nur mittelbar Einfluss auf die Migrationspolitik habe, sei bereits eine Wirkung erkennbar. Bereits im August 2023 gab knapp die Hälfte der befragten Hauptgeschäftsführer von Wirtschaftsverbänden an, es gebe, „Schwierigkeiten, in AfD-Hochburgen Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen“. Dabei, so heißt es in der Studie, würde „mehr qualifizierte Zuwanderung – nicht weniger“ der deutschen Wirtschaft die dringend notwendigen Impulse geben. Das Erstarken von Rechtsaußen mache eine solche Zuwanderung unwahrscheinlicher.

7.

Die Cum-Ex-Saga geht weiter: Der Bundeskanzler soll, anders als bisher bekannt, doch in die Beantwortung der Anfrage eines Linken-Parlamentariers zum Cum-Ex-Skandal eingebunden gewesen sein. Das schreibt der Stern und beruft sich auf ihm vorliegende Dokumente.


Nachfrage von links: Der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch hatte sich im November 2019 nach Treffen von Vertretern des Hamburger Senats wie Scholz und dessen Nachfolger Peter Tschentscher mit Vertretern der in den Skandal verwickelten Warburg-Bank erkundigt. In der Antwort wurden Treffen zwischen Scholz und dem Warburg-Mitinhaber Olearius bestritten; mittlerweile ist aber bekannt, dass das nicht stimmt.


Scholz soll davon gewusst haben. Die dem Stern vorliegenden Dokumente sollen nun beweisen, dass Tschentscher und der Hamburger Finanzsenator Andreas Dressel sich zur Beantwortung der Anfrage sehr wohl auch an Scholz gewandt hatten, dieser also Kenntnis von der falschen Antwort gehabt haben soll.

Unter eins

Das unterscheidet uns! Bei uns sind Beleidigungen eine Straftat. Die Redefreiheit geht (anders in den USA) nicht so weit, dass dabei die Persönlichkeitsrechte anderer verletzt werden dürfen.

Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast reagiert auf die Kritik des US-Vizepräsidenten J.D. Vance infolge einer CBS-Doku über das juristische Vorgehen gegen mutmaßliche Hasspostings in Deutschland

Zu guter Letzt

Rund 1000 Gäste nahmen gestern im Berliner Dom Abschied von Altbundespräsident Horst Köhler. Beim Trauerstaatsakt gerieten etliche Reden zu „leisen Appellen, den Zusammenhalt nicht zu vernachlässigen in Zeiten, in denen nichts, was mal gewiss schien, noch gewiss ist“, schreibt Constanze von Bullion in der SZ.


„Wir stehen vor der größten Katastrophe, der größten Krise seit 1948 und sind darauf nicht vorbereitet.“ Noch kurz vor seinem Tod mit 81 Jahren habe der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler seiner Sorge über die Weltlage Ausdruck verliehen, sagte etwa der ehemalige Bundesfinanzminister Theo Waigel. Köhler hätte gern noch einmal angepackt, so Waigel, die Dinge wieder zurechtgerückt. Der Altbundespräsident, bekennender Christ und Christdemokrat, blieb der Welt der Parteipolitik bis zuletzt mit kritischer Distanz verbunden, ging seinen eigenen Weg.


„Immer wieder waren es vor allem die Verletzten, die Trauernden, die auf Hilfe Angewiesenen, die Schwerkranken und Behinderten, denen seine ganze Zuneigung, seine ganze Hinwendung, ja, auch seine spontane Umarmung galt“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Er empfinde Dankbarkeit für einen „tatkräftigen und bis in die letzten Tage seines Lebens unermüdlichen Diener unseres Gemeinwesens“.


Grazie mille! Dem Team in Berlin, den Kolleginnen in Australien.

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Florian Eder

Leiter SZ Dossier